Full text: St. Ingberter Anzeiger

holte Beistand vom nahau Pachthos, üderzeugtt 
sich jedoch dald, daße hier alle menschliche 
Hulse erfolgloo, und bemertte mit Schredcen, 
daß es die Leiche jener Frau war, die ihr 
rinst in Brecon degegnet datte. 
Mittilens war in seinem Schmerz wild 
und lästig, aber das freundliche Wesen der 
schoönen, jungen Dame beruhigte ihn dald und 
als sie erst einmal auf dem Pianu gespielt 
hatte, war er ihr williger Sclave.“ Die An⸗ 
gaben des Rotars und das sonderbare Te⸗ 
stament ließen Genevra Lloyd wohl die Hand 
einer leitenden Vorsehung erkennen, und dankbar 
nahm sie das sichere Obdach, die friedliche 
Ddeimath an und bewies dem sanften, unglück⸗ 
uchen Wesen schwesterliche Zärtlichteit. 
Die Erlksung von der unsagbaren Qual, 
die sie in ligter Zeit erduldet, die Reuheit 
ibrer Umgebung, das lebhafte Interesse für 
Mittikens beschäftigte fie genügend, um die 
Erinnerung an ihr altes Leben zurüclzudraͤngen, 
aber schon nach vierzehn Tagen“ war idr die 
neue Lebensweise gewohnt geworden, die Stille 
urm Ernfamkeit hatten allen Reiz verloren und 
dlidten sie düster und hoffnungslos an. 
Im Laufe der dritten Woche veranlaßte 
ein Zufall die Entdeckung von Nan Mec. Neals 
lebenzlangem Geheimniß, dessen Kenntniß ße 
lebhasft in den erst kürzlich verlassenen —Kreis 
nurückversetzte und ihre ganze Gedankenwelt 
gefangen nahm . 
Das wichtige Geheimniß umfaßte auch 
Lord Cuthbert Lyle's fernere Geschicke. Sie 
wagie kaum,“ fich das Gefühl des eigenen 
Hetzens zu gestehen, was aber verlangte die 
Ppflicht? Sollte sie schweigen oder sprechen? 
Tausend Fragen'und Pläue durchkreuzten ihren 
Weisie Sie bewrachtete Meittekens und dachte 
der männlich elen Züge Cuthberts, seines 
würdevollen Lebens, seines großen Geistes, 
welcher der Grafschaft ein Segen zu werden 
vetsprach: Sollte fie all' das vernichten 57 
nmd felbstwenn das ˖ ihre Pflicht waͤre, 
wie konnte sie dieselben erfüllen, Ohne ihr 
Bersteck zu derrathen, ohne in Graf Lubins 
GBewalt zu kommen 9 
Derlei Gedanken hatten sie in's Freie 
getrieben. die heiße Stirn zu kühlen, und die 
ewigen Sterne hatten ihr Frieden in die 
Secie gegofsen. Als Mitlikena spielle, eilte sie 
noch einmal hinaus; ihr war's als müsse eint 
rettende Hand sich jeigen. 
Sie trat über die Schwelle und schritt 
langjam der Gartenthüre zu. Der Mond war 
izwischen aufgegangen und verklärte Alles 
mit magischem Lichte, ein Nachtvogel sang, 
aber es klang nicht klagend, es schien fröy⸗ 
liches Jauchzen, selbst der Wind, der durch 
die Blätter rauschte, glich leise geflüstertem 
Versprechen. Ploͤßlich machte sich in der Ferne 
das knarrende Geräusch von Rädern hörbar, 
die langsam den Hügel herauf fuhren, Es 
war eine ungewöhnliche Stunde und Genevra 
durchbebte leiser Schauer. 
„Vielleicht hat sich der Pächter in Brecon 
berfpätet,“ sagte, sie sich zut eigenen Be—⸗ 
xuhigung. 
Bewegungslos wie eine Statne stand sie 
am Thore und blickie hinaus in die stille 
Nacht. Bald zeiglen sich oben auf dem Hügel 
die Umrisse des Wagent, auf dessen offenem 
Sitze sich zwei Personen befanden. Das Ge⸗ 
fährt näherte sich schwerfällig, das arme 
Pferd keuchte, denn es war über seine Kräfte 
angesirengt worden. ä 
„Hier in der Näde muß es sein,“ fprach 
eine rauhe, fremde Stimme, die das Knarren 
der Räder und den müden Hufschlag über⸗ 
önte. 
„Dort ist ein Haus, halten Sie, dann 
will ich mich erkundigen,“ entgegnete eine 
andere Stimme, bei deren Klang Genevra's 
Herz erbebte. Konnte sie nun fürder noch sich 
selbfl täuschen, die schnelle Antwort auf des 
Gebieters Ruf mißverstehen 
Ste erhob das Haupt, strahlende Freude 
leuchtete aus ihrem Uuge. 
Eine schlauke Gestalt schwang sich leicht 
pom Wagen und naͤherte sich dem Thore. 
„Bitte, können Sie mir nicht sauen —“ 
Er hielt plözlich inne. * 
.Genevra — Miß Llond! Gott sei Dank, 
daß ich Sie gefunden habe !“ * 
2ꝛ Ihr Herz war so voll, daß sie lein Wort 
hervorzubringen vermochte. 
„Zürnen Sie darüber, Miß Lloyd 
fragte er besorgt. 
„Ihnen zürnen 
DDann werden Sie mich wohl willkommen 
heißen, denn ich bringe gute Nachricht.“