Jener, der solches that, war ein Italiener,
der unfern von mir stand.ß
Vergieb mir,“ flüsterte die Jungfrau
noch immer verlegen; sie reichte nem Jüngling
beide Hände mit traulicher Selbstanklage dar:
.Ich babe dir unrecht gethan und dich schnöde
don mir gewiesen, da du dich mir nahtest,
weil ich wähete, du seist jener Spolter ge⸗
wesen, der meine Andacht störtey- als ich vor
dem Bilde-des Erlösers füt die entschlafene
Mutter betete“
Mortin hegte keinen Groll; woht aber
den Keim eines ganz andern Gefühles für
die Jungfrau in seinem Herzen. Als die
Grabesblüthen getränkt waren, saßen beide am
Fuße des kleinen Hügels beisammen; die
Jungfrau vertraute ihm, daß ihr Vater ein
Deutscher gewesen, die Mutter aber eine Ita⸗
lüenerin, und daß sie nun eine Waise, vollig
rinsam und verlassen in dem kleinen Häuschen
am Waldbrunnen lebe. Auch Martin erzählte
ihr von seinem Vaterlande, seinen Eltern,
lcinen Reisen. Wie schuldlose Kinder koseten
sie mit einander und kehrten erst heim, als
der Abendstern zum Morgenstern geworden
war. —
Der böse Schuldner zahlte noch inimer
nicht; Martin zürnte ihm deßhalb nicht mehr,
jondern gab ihm von einem Tage zum andern
Frist. Seiten war er dabeim in dem sqhmu⸗
zigen Wirthshause. Am frühen Morgen warf
er schon Reisetasche vnd Flinte über die
Schulter und wanderte dem kleinen Haͤuschen
zu. Am Brunnen- harrte seiner bereits die
Jungfrau; dort saßen beide in unbesangener
Traulichkeit zujammen wie zärlliche Geschwisier,
denn beide waren sich wohl nicht ihrer eignen
Gefühle bewußt! Sonderbar war es indessen,
daß die Jungfraubei aller Offenheit, mit
welcher ser dem Jünglinge alle ihre kleinen
Freuden und Sorgen mittheilze,, es dennoch
ängstlich vernied, von ihrer Vergangenheit,
von ihrer Zukunft zu reden. Sie lebte völlig
rinsam, ohue Umgange; Niemand; aut der
Umgegend kam zu ihrz Niemmnd im Fiecken
schien sie zu lennen, oder von ihr gekannt zu
sein. Ihr einziger Gefährte, der Hüter und
Bewahrer des Haufes, wenn fie zuweilen ent⸗
sernt war oder auf dem Grabe ihrer Mutter
delete, war ein alter, lebenamüder, sah er⸗
blindeter Hund. Ihre Unerfahrenheit mit dem
Treiben der Welt ließ fie nicht einmal ahnen,
velchen Gefahren sie bei diesem einsa nen, un⸗
beschützten Leben ausgesetzt war. —
Plötzlich, unerwartel, zahlte der lässige
Schuldner; erst jetzt, als Martin das Geld,
in der bebenden Hiand hielt, als ihn die
Pflicht heimrief, ward er sich klar seiner Ge⸗
fühle bemußt. Er eilte fogleich zu der Gelieb⸗
len, sie saß bereits am Brunnen, *das treue
Thür zu ihren Füßen gekauert, seiner harrend.
Der Wasserkrug war beinghe gefüllt, denn sie
hatten miteinander veradredet, heute das Grab
der Mutter wieder zu desuchen. Als sie Mar⸗
tin gewahrte, erschrack sie vor seirem Ausschen.
und fragte bangend: „Ist dir ein Unglück
zeschchen?“ Er gestand ihr, daß die Schuld
getilgt, und er nun heimkehren müsse in der
Eltern Haus. Schweigend horchte fie seinen
Worten, eine heiße Thräne rann über ihre
erbleichende Wange und sie flüsterte im tief⸗
en Schmerze: IIch sah sie nahen die böfe
Stunde.“
Wohl wußte Martin, daß seine Eltern
andere Absichten mit ihm hatten, aber er
lannte auch ihre zärtliche Liebe, und wie innig
sie es wünschten, ihn glücklich zu sehen. Ueber
wältigt von seinen Gefühlen, gestand er der
Jungfrau seine Liebe und bot ihr den Ning
der Treue. Die Hände in den Schooß gesenkt,
sauschte sie seinem Bekenntniß und seinen
Worien; aber endlich als er schwieg und einer
freundlichen Antwort entgegen harrte, über⸗
dog ihre Wange Todtenbläße und sie stammelte
dumpf: „Ich bin das GEigenthum eines
Andern.“
Diese Entgegnung, diesen Aufschluß hatte
Martin nicht erwartet! auch vonseinem
Autlitz floh die Lebensröthe und da er sah,
wien die Geliebte in tiefem Schmerze range
lehte er: „Gieb mir Vertrauen, wer ist der⸗
jenige, dem du angehörst ?— —
Morgen, morgen,“ entgegnete die Jung⸗
srau, mit gebrochener Stimme; mühsam rich⸗
ete sie sich empor und wankie ihrer Wohnung
zu; er wollte ihr folgen, aber sie machte ihm
mit der Hand ein abwehrendes Zeichen und
wiederholte nur dumpf und tonlos: Morgen,
morgen, zu dieser Stunde.“ 2
Dao er aber am andern Taze wie der lehr⸗