Full text: St. Ingberter Anzeiger

„Nein, nein, das ist unmöglich,“ rief die 
arme Frau. 
„Es scheint nur so,“ erwiderte der Sta⸗ 
rosle, „Herr Bogdan ist ein Mann der Worte, 
nicht der Thaten.“ 
„Wenn er mich nicht befreit, wenn er 
nichts thut, mich zu befreien mit Gewalt der 
Waffen,“ rief Lidwina auf das höchste erregt, 
.dann liebt er mich nicht.“ 
.Sie haben eß ausgesprochen, schöne 
Herrin,“ sagte der Staroste, „er liebt se 
nicht, wie kann auch ein alter Mann lieben!“ 
Lidwing wurde bluthrotb. 
.Ich aber liebe Sie,“ schloß der Staroste 
die Unterredung, zugleich ließ er sich auf ein 
Knie vor Lidwina nieder und führte den 
Zipfel. idres Schlafpelzes an die Lippen. 
Einen Augenblick später hatnte er fie ber⸗ 
lassj n. ... 
Der schwere Vorhang rauschte feierlich 
hinter ihm zu. 
.In den wachsten Tagen Jicß sich der 
Staroste nicht duden, er wollte der schönen 
Lidwina offenbar Zeit lassen, ihre zige Lage 
und Umgebung mit ihrer früheren zu vergleichen, 
und dies trat sir redlich, zum Theil gegey 
ihren Wille. 
Ansangs dach?e sle mit tieser Rührung an 
Hmelin, bald aber übten Luyus uund Behagen 
shren natürlich n Zauber aus, gegenüber den 
Raumen, Viöbeln, Geräthen, welche sie in 
Tschehrin umgaben, den Miablzeiten, welche 
ihr servirt wurden, den Sioffen, in die man 
sie hier kleidete, erschien Hmelin mit seinem 
rohen Holzgetäfel, seinen groben Speifen in 
der That sehr ärmlich, die schöne Frau st:ich 
mit den feinen Fingern durch die goldigen 
Haarspitzen des köstlichen Zobels, mit dem itr 
Schlaspelz gefüttert und beschzt, war, sie dacht⸗ 
an die däuerischen Lammfelle, in welche fie 
ihr Gatte gehüldt halte und mußte un villtührlch 
laͤcheln. 
Eine Woche verging und Lidwina gesiel 
sich in Tschehrin. J 
Eine zeite flok dahin und die „schöne 
Frau hätie es nicht mehr für mönlich gehalten. 
nach Hwelin zurüdzutehren. 
Der Staroste befuchte sie läglich. Anfangs 
bar er noch um Erlaubniß, dann lud sie ihn 
ain, zu kommen. 
RKoch lkurze Zeit und Lidwina saß an der 
Tafet des Starosten und stimmte in die 
wüsten Scherze seiner Freunde ein. Glaänzende 
Feste, Schluttenfahrten, Maslkenzüge, Tänze 
fanden ihr zu Ehren stitte. — 
Ein einziges Mal noch fragte sie nach 
ihrem Gat'en. 
Er hat eden seine Duplil eingereicht,“ 
sagte der Siareste mit einem faunischen 
Lächeln, und Lidwina — das Weib deß 
besten Mannres in Polen, brach in ein lautes 
schmähliches Gelächter aus. 
Wieder war der Adel der Umgebuͤng in 
Tschehrin an der Tafel des Starosten versam⸗ 
melt. Lidwina, in rosa Atlas und Hermielin 
gekleidet, führte den Vorsig. Als die Ausge⸗ 
lassen deit den höchsten Grad erreicht hatte, 
hniete der Staroste piötzlich vor“ der schönen 
Frau nieder, taubte ihzr, nach polnischer Sirte, 
den Schuh vom Fuße und irank daraus auf 
hr Wohl. 1 
Die Musit begheitete diesen Aet der Cour⸗ 
toiste, welcher eine boffentliche Liebeseillärung 
war, mit einem Tusch. 2 
Die Cavaliere schrien Virat ochajme siel 
Vivan lieben wir uns deun 6 
Man umarmte, man kühttsich. 
Dann rangirten sich die Paare, die Mu⸗ 
fikanten — in Polen stets Juden,“ wie in 
Ungarn Zigeuner — an der Spihe, zur 
Polonaise und fort ging' es durch die lange 
Reide der Säle, durch die Corridore. hin und 
zurück, bis die nanze lustige Gesellschaft im 
Tanzijaale Halt machte. 
Nun spielten die langbärtigen, fettlockigen 
Jaden die nationalen Weisen. den Mazur, 
den, Kosack, Kralowiak. die Kolomijak, bid in 
den hellen Tag' hinein, beim Gestampf der 
Tanzer, dem Gekllirr der Sporen und dem 
Jauchzen der Zechenden. 
Lidwina jog sich nach Mitter nacht in ehre 
Bemaͤcher zurütk. Sie lißß sich von ibren 
Dieneranen entkleiden, salüpfte in ihren 
Schlafpelz und machte Miene noch aufzublei⸗ 
ben, als sie jedoch allein war, jperrte sie 
rasch die Thüre, und schobd zum Ueberflusse 
noch den Riegel vor, und aihmete auf. 
.Mit -einem halb schelmischen,halb hoshaften 
Lächeln hieß sie dann erst den lostbaren Sqlaf⸗