Weile schwebend in der Luft, bis er merkie,
daß seine Kräfte shwanden. Eine Todesahnung
durchlief ihn — er schloß die Augen. Et
vermochte sich nicht mehr zu halten — er
glitt ein Stück an dem Seile hinab. Die
Selbsterhaltung machte sich geltend in ihm.
Er faßte mit Aufvietung aller Kräfte noch
einmal das Seil fest und blickte um sich.
Der Ring war unmittelbar vor ihm in
der Mauerritze der Wand.
Mit zitternder Hand griff er danach. Ein
Ruck und die Steinplarte bewegte fich geräusch⸗
los und geheimnißvoll, Neues Leben durch⸗
strömte ihn. Er schob den Stein auf die
Seite und schwang sich durch die Oeffnung.
Die kleine Thür, welche zu dem hohlen Raum
führte, war bald erreicht, nachdem er die
schmale Wendeltreppe hinabgeeilt war. Er schau⸗
derte zusammen, diesen Ort noch einmal be⸗
rreten zu müssen, allein es war der einzige
Weg zu seiner Rettung.
Er hob den Drücker der Thüre — —
er versagte den Dienst. Er stemmte sich gegen
die Thine — sie spottete seiner Anstrengung.
Die Trümmer der Glocke und der beiden
Deden der Thürmerwohnung, sowie sonstiges
Gebälk hatlen sich hinter dieselbe gelegt und
auf diese Weise den Eingang verschlossen.
Lebendig begraben!“ schrie Bruno in
seinem Schmerze auf, nachdem er sich entseßt
in der schreclichen Finsterniß umgesehen hatte.
Zerechtet Gott im Himmel, sei mir gnädig
und barmherzig und strafe mich nicht allzuhart.
Du kannst es nicht wollen, daß ich hier dem
Tode Preiß gegeben sei, daß hier mein junges
Leben ende. Herr im Himmel hilf!“
Er taumelie gegen die Wand. Das Heri
klopfte hörbar und drohte zu zerspringen.
srampfhaft wollte er die beiden Häude über
demseiben zusammenpressen, als ihm bei dieser
VReweguug etwas Klirrendes entfiel — es war
das 'an dem Steigergurt befestigte, kleine
Handbeil.
Wenn der Ertrinkende einen Strohhalm
erblickt, so hascht er danach in der Meinung,
durch ihn Rettung erlangen zu lönnen, und
der Gebanke daran flößt ihm neuen Muth,
neues Vertrauen ein. Wenn ein thatkräftiger,
in seiner dollen Blüthe stehender junger Mann
sehi, daß der Weg zum Leben abgeschnitten
ist, dann klammert er sich mit seiner nie ver
gehenden und doch so oft täuschenden Hoffnung
an den geringfügigsten Gegenstand, von dem
er Erlösung hofft.
Das kleine Beil sollte und mußte ihm
Rettung bringen. Mit gewichtigen Schlägen
slog es gegen die eiserne Thür. Eitles Wähnen,
ities Hoffen! Die kräftig geführten Schläge
prallten an der eisernen Pforte ab und spot⸗
eten seiner Anstrengung. Ermüdet ließ er
aach kurzer Zeit von seinem Vorhaben ab;
eine stumme Resignation erfaßte ihn.
In diesem Zustande verblieb er eine Weile.
Da schnellte er plößlich auf. Er tastete an
der Wand nach dem Aufgang zur Treppe
umher. Er fand sie. Er rannte die Stufen
hinan, in der Meinungz, daß das Seil noch
‚orhanden sei und ihn wenigstens zu seinem
rüheren Standpunkt an dem kleinen Fenster
bringen mußte.
Er starrte hinaus aus der Oeffnung, er
haschte nach dem Seile, das ihn bisher ge⸗
Fracht hatte, — vergebens. Er blidte in die
döhe. Glimmend und in der Luft schaukelnd
dewahrte er es in unerreichbarer Hohe
aber sich.
„Auch hier keine Rettung, nicht einmnal
Hhoffnung! Eingeschlossen und — lebendig be⸗
graben. O großer Gott, sei mir gnädig !“ rief
er, als er in den kleinen Raum zurückgekrochen
war. Er warf sich auf die Knie, seine Lippen
bewegten sich leise im Gebet.
ẽs schien ihn gestärkt und ermuthigt zu
haben.
In fieberhafter Aufregung rannte er die
Wendeltreppe hinab. Als er vor der eisernen
Thüre wieder angekemmee war, stemmte er
sich mit Aufbietung aller seiner Krafte gegen
die Thür, um den Eingang mit Gewalt zu
erzwingen — die Thür wich und wankte nicht,
denn es lagen zu viel Trümmer hinter der
risernen Pforte, als daß sie eine Menschenkraft
auf die Seite hätte zu drücken vermögen.
Noch einmai schrie er laut auf; Lebendig
begraben!“ dann wiederholten eß seine Lippen
noch mehrmals leiser und leiser werdend.
In dem kleinen Raum herrschte Tod⸗
tenstille.
Auf dem Marktplaze war eß nach und