Full text: St. Ingberter Anzeiger

zender Weise dem gegenüber aufzutreten, 
welchen ihr Gatte mit zuvorkommender Freund⸗ 
lichkeit behandelte, der zu dem fremd, ein 
—AO— 
ihre Hand auf seinen Arm und schritt an 
seiner Seite in das Speisezimmer. 
Boͤlling tischte, seinen Gast zu ehren, die 
desten Weine aus seinemn Keller auf, aber der 
Baron traak wenig, und diese Enthaltsamkeit, 
wie die anregende, mit Witz und Satyre 
gewuͤrzte Unterhaltung, welche er führte, blieben 
auf Helene nicht ohne Eindruck. Es war bereits 
nahe an Mitternacht, als der Gast si h erhob. 
Bölling schellte und befayl dem Diener, dem 
gnädigen Herrn die Treppe Hinaufzuleuchten 
und in das Gastzimmer zu führen. 
BBefehlen Sie ganz üder ihn,“ wandte 
et sich zu dem Baron, „wenn Sie irgend 
etwas bedürfen, sagen Sie es ihm nur. 
Morgen nach dem Frühstück wollen wir uns 
die umliegenden Güter ansehen; Sie sind 
mein Gast auf mindestens acht Tage und 
während dieser Zeit können wir finden, was 
wir suchen.“ 
Ich glaube nicht, daß ich so lange von 
Ihrer Gastfreundschaft Gebrauch machen werde,“ 
erwiderte der Baron, sich zu Helene wendend, 
„ich muß in den ersten Tage eine kleine Reise 
antreten. 
Wohin 7 fragte Bölling. 
Nach O. Ein Auftrag meines Freundes 
in Newyort zwingt mich zu diesem Abstecher.“ 
3, So reisen; wir gemeinschaftlich,“ uunter⸗ 
brach Bölling ihn. Ich war bis jetzt noch 
nicht entschlossen, nun ich aber höre, daß auch 
Sie diese Reise mahen wollen, kann ich die 
Gelegenheit einer so angenehmen Geijellschaft 
nicht qut unbenutzt lussen.“ 
Einderstanden,“ versetzte der Baron. „Nur 
noch eine Bitte. Würden Sie vielleicht mir 
xxlauben; daßtz der Dinner, den ich mitgebracht 
habe, vich hier bedient. Er kenut meine Ge⸗ 
wohnheiten.“ 
„Wozu bedarf es da noch meiner Erlaub ˖ 
niß d Thun Sie, als ob Sie in Ihrem eige nen 
Hause seien·“· 
Der Baron wiinkte dem Diener, voranzu⸗ 
gehen uud verabschiedete sichh. 3 
„Was sagst Du zu diesem Nachbar 5 
fragte Böllinz, als er sich mit seiner Gattin 
allein befand. 2 
„Noch weiß ich nicht, ob ich ihn als 
einen Freund oder Feind unser?s bisherigen 
Glückes betrachten soll.“ entgegnete Helene, 
„So fein und gewandt er auch auftritt, so 
hödlich und zuvorkommend er sich anch beweist, 
sein Blick macht auf mich den Eindruck, als 
ob er eine Maske trüge.“ 
Bovölling lächelte. „Bedenke die Gemüths⸗ 
st munng, in der Du Dich gegenwärtig be⸗ 
findest, in Belcher wir das Glück eines unserer 
Mitmenschen in Trümmer ftürzen sehen, glau⸗ 
hen wir in Jedem, der sich uns näpert, einen 
Zerstörer unseres Glückes zu erblicken. Ich 
halte den Baron für einen sehr gewandten, 
wissenscha filich gebildeten Mann und hoͤffe 
aus seiner Freundschaft manchen Nutzen zu 
ziehen.“ 
Der Baron war kaum in seinem Zimmer 
angelangt, als er dem Dieuer befahl, die 
Kerzen hinzustellen und ihm den eigenen Kam⸗ 
merdiener zu schicken. Bald daxauf trat dieser 
ein. Er trug eine blaue mit Gold gestickte 
Liproe. 
Der Baron warf sich in einen Sessel und 
zefahl dem Diener, die Thüre zu verschlie⸗ 
zen. „Ih höre,“ sagte er, ‚was hast Du 
erfahren 7 
In der Gesindestube traf ich den Ver⸗ 
walter und einen alten Mann, der vor we⸗ 
nigen Tagen erst dier, in Dienst getreten 
ist,“ versetzte der Diener. Der Letztere hat 
früher im Dienst des Schwiegersvaters unseres 
Wirths gestanden“ — 
„Wie heißt er?“ fragte der Baron 
rasch. 
„Steffens, Sein ganzes Vermögen besteht 
'n einem wohlgenährten Mops, und da dicjes 
Vieh ihn nie verläßt, so führt er seine ge⸗ 
sammte Habe stits bei sich.“ 
.Ich will die Eigenheiten dieses Mannes 
nicht wissen,“ unterbrach der Baron den 
Redseligen ungeduldig. „Erstatte mir Bericht 
über das, was Du in Bezug auf die Vere⸗ 
hältnisse unseres Wirtha ersahren hast, aber 
beeile Dich ein weng, denn ich bin müde.“ 
„Ich schlug dem Verwalter eipe Partie 
Piket vor. Wie ich voraussah, regte ihn. das 
Spiel auf, er wrank mehr als er vertragen