„Aber Sie wußten, daß das Geschäft zum
Nachtheil Ihres Prinzipals ausfiel.“
„Beweisen Sie mir das,“ fitl Helmes
ihm ruhig ins Wort. „Beweisen Sie mir,
daß ich dies wußte, daß ein Verlust überhaupt
nicht in der Möglichkeit lag, und wenn Sie
mir das bewiesen haben, sagen Sie Ihrem
Schwiegervater, er möge sich vor den Kopf
schlagen und gessehen, daß er ein Dummkopf
war. Er hat die Lieferungsscheine unterschrieben
und das Geschäft forcirt, nicht ich“
„Herr, Sie sind ein Schuft, der hinter
der Maske der Frömmigkeit sein Wolfsgesicht
berbirgt,“ brauste Bölling auf, „wir werden
uns vor den Schranken des Gerichts wieder⸗
schen“
„Ich freue mich herzlich, auf dieses Wie—
dersehen,“ entgegnete Helmes mit unerschütter⸗
licher Ruhe. „Sie werden mir aber nicht übel
nehmen, wenn ich bis dahin mein Hausrecht
wuhre.“
Er streckte die Hand nach dem Schellen—
zuge aus, der Gutsbesitzer kam ihm zuvor,
indem er die Thüre öffnete und das Kabinet
verließ.
Sechtes Kapitel.
— Ein Duel.
In einer entlegenen, nur zum Theil an
gebauten Straße stand ein großes, dreistöckiges
Haus, genannt die „Kaserne“, weil in den
Räumen desselben mehr denn zwanzig Familien
wohnten. Von außen machte dieses Haus
einen keineswegs unfreundlichen Eindruck, demm
es war von einem ziemlich großen mit vieler
Sorgfalt gepflegten Garten umgeben, auf den
Fensterbänken, standen blühende Levklojen,
Nelken und Monatröschen, und hie und da
hing inmitten dieser Blumen ein Vogelbauer,
dessen Insasse nicht müde ward, seine frische
helle Stimme zu üben. Unfreundlicher aber
sah es im Innern der Kaserne aus. Die
Treppen waren eng und steil, die Stelle des
Geländers vertrat ein glatter glänzender Strick,
in den Gängen standen Schränke, Wassereimer
und Bänke mit Küchengeschirr, die Fußböden
und Thüren hatten ein schmutziges Aussehen,
und die vielleicht vor langen Jahren zum
letzten Mal geiünchten Decken und Wände
waren durch den häufigen Rauch geschwärzt.
Der geneigte Leser würde weil neben das
Ziel schießen, wenn er vermuthete, daß dieses
daus der Sammelplatz der Bettler und Vaga⸗
punden gewesen sei, im Gegentheil, die Kaserne
tand bei dem löblichen Magistrat wie bei
der Polizeibehörde in hoher Achtung, weil
die Bewohner derselben nicht nur sehr ruhige,
thätige und geschickte, sondern auch stets heitere
— V
einzig und allein daraus, daß der Eigenthümer
des Hauses nicht an Jeden vermiethete und
unter den Bewerbern um die erledigten Woh—⸗
aungen vorzugsweise diejenigen berücksichtigte,
welche des Schutzes bedurften. Er selbst be—
wohnte die unteren Räume und konpte somit
eine gewisse Aufsicht über seine Miethleute
jühren. In den ersten Stockwerken wohnten
Handwerker, deren Geschäft kein Geräusch
verursachte, Schneider, Popparbeiter, Buch⸗
binder und Korbflechter, das dritte Stockwerk,
und die Dachzimmer waren von alten In⸗
validen, Näherinnen und Stickerinnen bewohnt.
In einem Zimmer dieses dritten Stogs
saß am Abend des ihm vorgehenden Kapitel
erwähnten Tages ein junges Mädchen, emsig
mit einer Stickerei beschäftigt, deren Feinheit
und Eleganz auf die Geschicklichkeit und den
guten Geschmack der Sticerin schließen ließ
Es war ein freundliches, gemüthliches
Zimmerchen, zwar einfach und ärmlich ansge⸗
stattet, aber doch nicht ohne:den Comfort,
der diesen einsamen Kindern aug dem Volt⸗
zu einem zufriedenen Leben so nothwend ig
ist, wie den Blumen das Licht der Sonne.
Blendend weiße Vorhänge verhüllten das kleine
niedrige Fenster, vor weichem auf einem tan⸗
nenen Tischchen einige Monatsrosen und
Nelkensträuche neben dem messingenen Vogel⸗
bauer standen. Auf dem kleinen Schränkchen
unter dem Spiegel paradirten einige Pagoden
und Blumenvasen, selbst ein Ruhesessel mil
gesticktem Kissen fehlte nicht. Außer den bereits
genannten Gegenständen befand sich noch ein
mit schneeweiser Decke behangen⸗s Bett, ein
kleiner Kochofen, zwei Stühle und ein Näh⸗
lischchen in der Kammer, während ein klein
Schrank; welcher die Koch⸗ und Eßgeschirre
enthalten mochte, dicht neben der Thuüre auf