Full text: St. Ingberter Anzeiger

Mädcheas? Sie waren anscheinend absichtslos 
hingeworfen, legte Barbara ihnen eine tiefere 
Bedeutung unter? — Lin schwerer Seufzer 
entrang sich dem Busen des Mädchens, XR 
in schmerzlichem Kampf begriffen, sah es eine 
Weile schweigend vor sich hin, dann ergriff 
es die Hand des Barons und sah diesem 
wehmüthig ernst ins Auge. „Reden Sie nicht 
so von ihm,““sagte sse,“ zer hat doch ein au— 
es Herz. Reißt sein leidenschaftlives Tem— 
perament ihn auch oft zu unüber hegten Wor⸗ 
——— 
edel.“ 
„Welche Braut nimmt nicht den Verlobten 
in Schuh. und wäre es auch nur, Uun den 
Schein zu retten,“ erwiderte der Baron ruhig. 
Die zarie Blume gedeiht nicht im harten 
felsigen Boden, sie lͤßt das Köpfchen hängen 
ind welkt langsam hin.“ — Es lag eine 
Sympathie in der Stimme des Baront, welche 
das Herz des Mädchens wunderdar berührte, 
sie fühlte sich zu diesem Manne hingezogen, 
sie hätte shhon jetzt vor ihm ihr garzes Herz 
ausschütten können.“ F 
Der Baron sah auf die Uhr und erhob 
sich. „Ich will nicht länget stören,“ fagte er. 
„Können Sie es ermöglichenn, daß ich die 
Muller meines Freundes morgen Abend hier 
bei Ihnen treffe 
Ein flͤchtiges Roth überzog die Wangen 
Barbara's. 
Morgen Abend,“ erwiderte Sie. „Mein 
Bräutigam —“ 
Er besucht Sie morgen Abend 79 fragte 
der junge Mann, ihr ins Wort fallend. „Das 
ändert freilich die Sache. Vielleicht kynnte die 
Zusammenkunft stattfinden, wenn er sich ent · 
fernt hat? Wann verläßt er Sie?? 
Et bleibt nie länger, als bis neun Uhr, 
weil'er noch eine Stunde weit gehen und 
Punkt zehn Uhr auf dem Gute seines Herrn 
sein muß · 
„So tomme ich um neun Uhr,“ sagte der 
Baron rasch, „einstweilen nehmen Sie dies 
hier zum Andenklen an mich.“— 
Er zog einen Brillantring vom Finger 
und legte ihn in die Hand des Mädchens. 
Varbata weigerte sich, das Geschenk anzuneh ⸗ 
men, eine innere Stimme sagte ihr, daß sie 
cz nicht dürfe, daß dies der erste Schritt zur 
Uatreu? an ihrem Verlobten sei, aber noch 
rhe sie einen Entschluß fassen konnte, war der 
Baron verschwunden.·.. 
Ein triumphirendes Laͤcheln glitt über 
die Lippen des jungen Mannes, als er das 
Haus verließ. Er drückte den braunen Strohhut 
ins Gesicht und schlug unverzüglich den Weg 
zum Gasthofe ein, in welchem er und Bölling 
abgeftiegen waren. *Algs er in den Speisesaal 
trat, bemerkte ihm der Kellner; der Gutsbesitzer 
befinde sich in einem Nebenkabinet und. ha be 
ihn beauftragt, den Herrn Baron sofort dort 
hin zu führen,es fei einen kleine Gefellschaft 
dort versammelt. 
Der Baron legte den Hut ab und trat 
ein. Er, erstaunte nicht, als er Bölling am 
Spieltische sitzen sah, es schien fast, als ob 
er dies erwartet habe. Bölling forderte ihn 
auf, sich an dem Spiele zu betheiligen, der 
Baroa lehnte dies ab. Er war verstimmt, 
ielbst die oft stark gewürzten Scherze eines 
alten Herrn, der die Gesellschaft zu erh itern 
suchte, vermochten nicht ihm ein Lächeln zu 
entlocken, n 
Bölling verlor auch diesmal wiedet, und 
je höher sein Verlust stieg, desto leidenschaft⸗ 
licher und höher pointirte er. 
„Ich halte es nicht luͤnger aus, überneh⸗ 
men Sie für einen Augenblick meine Parthie, 
flüsterte der Gutsbesitzer nach einer Weile 
seinem Freunde zu, der dicht hinter ihm saß, 
„ich muß hinaus in's Freie, die Luft hier 
im Zimmer erdrückt mich.“ — 
Der Baron nahm schweigend den Sitz 
des Freundes ein. Bölling blieb trotz der ihn 
erdrückenden Luft hinter dem Stuhle stehen. 
Aber in der Laune der Glücksgöttin änderte 
dieser Wechsel nichts, der Baron verlor eben⸗ 
ialls, und da er hoͤher spielte als sein Vor— 
zänger, so sah Bölling bald sich seiner Baar⸗ 
schaft beraubt. — War es Zufall oder eine 
ückische Fügung des Geschicks, daß der Baron 
gerade den letzten Satz gewann, um in dem 
darauffolgenden Alles wieder zu verlieren? 
Der Gutsbesitzer trocknete denkalten 
Schweiß, der in hellen Tropfen ihm auf der 
Stirne stand, ab. · 
„Sie haben kein Glück im Spiel,“ raunte 
der Baron ihm zu, deßhalb rathe ich Ihnen, 
sehen Sie von der Revanche ab.“ 1