Full text: St. Ingberter Anzeiger

„Was kümmert es Sie, ob und wie viel 
ich verliere?““ fuhr Bölling hastig auf, „ich 
bedarf keines Vormundes. Wenu Sie mir 
einen Gefallen erzeigen wollen, so strecken Sie 
mir fünftausend Thaler vor.“ 
.Für die Sie zehn Prozent ziehen,“ 
spottete der alte Herr, jener Spaßmacher, der 
die Unterredung gehört hatte,? „ünf für das 
Darlehen und fünf für Ihren guten Rath.“ 
Der Baron warf einer stechenden Blick 
auf den Redenden. „Wer sind Sie mein 
Herr ?“ fragle er mit eisiger Kälte. „Soll 
ich Ihre Worte als eine Beleidigung an⸗ 
nehmn??:— 
Keineswegs; ist es eine Beleidigung, 
wenn ich den Werth eines guten Raths ab— 
schätßze ? Gehen Sie, guter Freund, Ihr 
jauertöpfisches Gesicht macht mir den Wein 
zu eha wsrage ich, wer sind Sie fe 
Noch einmal frage ich, wer sin ie ?* 8 m—en *7 
rief der Baron deIeb Gefaͤllt Ihnen mein „Sie sind verheiratzet? 
Gesicht nicht, wer hindert Sie denn, das „Nein, schon feit Jahr und Tag wollte 
Zimmer zu verlassen ich meine Braut heimführen, aber mein Herr 
wer ich bin ?“ erwiderte der alte Herr, hält mit seiner Erlaubniß zurück. Bevor ich 
über dessen Züge ein eigenthümliches Laͤchetn picht Oberförster bin, darf ich übe rhaupt nicht 
flog.„Ich din der Freiherr von und zu an die Heirath denten ··. 
Moͤllenhaufen, darf ich mun fragen, mit weni Der Baron durchschritt einigemale schwei⸗ 
ich die Ehre habe?“ gend das Zimmer. „Ich werde mit meinem 
Baron von Westen,“ antwortele der jungẽ Freunde darüber sprechen,“ sagte er endlich. 
Mann kurz. „Ich hoffe, Sie werden als „Bis ich ein Engagement treffen kann, wird 
Edelmann mir Satisfaction geben.“ Er zog er fie wohl beschaftigen, Sie werden morgen 
nach diesen Worten ein Portefeuille aus der das Nähere erfahren.“ 
Tasche, übergab dem Gutsbesitzer einige Bankno- Nachdem der Förster das Zimmer verlassen 
ten uͤnd verließ dann das Zimmer. Ein hatte, schrieb der Baron einen Brief, den er 
schallendes Gelächter folgte ihm. Der Baren versiegelte und an Barbara Winter adressirte. 
diß sich auf die Lippen, in seinen Augen lo Die Sonne nöthete den Osten, als der 
derte es unheimlich auf. Schon hatte er die Baron aus einem lutzen, unruhigen Schlaf 
Hand ausgestreckt, um die Thüre wieder zu erwachte. Er kleidete sich rasch —9* *— schritt 
öffnen, als er sich eines Bessern besann und über den Gang und tral in das Zimmer 
dann davon ging. Böllings, der noch fest schlief. Nachdem er 
In seinem Zimmer angekommen, schrieb er diesen geweckt und an das Duell erinnerl 
auf die Rückseite seiner Karte: „Morgen hatte, übergab er dem Hausknecht, der eben 
früh um sechs Uhr im Kastanienwäldchen; — (hlaftrunken die Treppe hinunterschlich, den 
die Wahl der Waffen bleibt dem Gegner Brief an Barbara mit dem Auftrage, den⸗ 
überlassen!“ — Diese Karte sandte er in selben sofort abzugeben, wenn er, der Baron, 
einem versiegelien Couvert durch den Kellner nicht um zehn— Uhr zürück sei. vDaumn 
dem Gutsbesitztr mit dem Auftrage, jener verließ er in Begleitung des Gutsbesißers 
wöze das Nöthige besorgen. Eine Viertelstunde den Gasthof. Er 
paler erhielt er durch einen Forster die Karte Schweigend wanderten die“beiden durch 
urüd, Bolling hatte mit Bleiftift unter jene die noch stillen Straßen zum Thore hinaus. 
Zeilen geschrieben: „Angenommen, auf Pisto⸗ 
len, fünfzehn Schritte Distance.“ Der Barou 
zog die Börse und gab dem Förster ein 
Goldstück. „Sie stehen im Dienste des Frei— 
herrn von Möllhausen?“ fragte er. J 
„Seit fsechs Jahren.“ antwortete dieser 
unbefangen. 
„Ihr Name?“, 346 
Hugo Kraus ··:: F 
ESind Sie mit Ihrem Dienst zufrieden?“ 
fragte der Baron weiter, „Verstehen Sie mich 
recht, würden Sie denselben verlassen, wenn 
eine bessere Stelle sich Ihnen böte?“?! 
Kraus zuckte die Achseln. „Warum nicht?“ 
entgegnete er. „Kana ich auch über meinen 
Herrn nicht klagen, das Einkommen ist gering, 
der Dienst anstrengend, und bis der Posten 
des Oberfoörsters frei wird, können noch Jahre 
hingehen.“