Unterhaltungsblatt
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St. Ingberter Anzeiger.
N. GI. Sonntag, den 21. Mai
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DZRie Brüder.
Driginal-Rovelle von Ewald August König.
„Wer Dir das gesagt hat, lügt,oder ist
ebenfalls getäuscht worden,“ entgegnete die
alte Frau ruhig. „Ich weiß aus besserer
Quelle, das Georg drüben ein reicher, geach⸗
eter Mann ist.“
Der Förster warf sich mit rohem Lachen
in den Sessel. „Die Quelle möchte ich kennen,“
'agte er. „Wahrscheinlich hat die Base, welche
Dich ja oft auf ein Klatschstündchen heimsucht,
zon Jemandem gehört, daß ein gewisser Je⸗
nand von drüben geschrieben habe, er kenne
Jemand, der wieder mit Jemand bekannt sei,
velch' letzterer Jenand den Geörg Kraus vor
einiger Zeit gesehen habe und nicht genug
das gute Aussehen und die elegante Kleidung
besagten Georgs rühmen könne. Die Quellen,
velche vom Höorensagen gespeist werden, kenne
ich, was ich Dir vor einiger Zeit über den
entsprungenen Sträfling mittheilte, stammt aus
einer besseren Quelle“
Die Wittwe und Barbara sahen entsetzt
ꝛinander an, sie hätten nie geglaubt, daß der
daß so tief im Herzen dieses Mannes
vurzelte.
„Wenn er wirklich, wie Du behauptest,
ein reicher, geachteter Mann ist, warum schreibt
er nicht ?“ fuhr Hugo fort. „An Dir hing
er doch stets mit wahrer Affenliebe er würde
Dich über sein Schicksal nicht m Ungewißheit
sassen, wenn er nur irgend etwas Erfreuliches
herichten könnte.“
„Ist es nicht möglich, daß ein Brief von
hm unterschlagen wurde?“ fragte Barbara.
Das letzte Wort war ihren Lippen noch nicht
entflohen, als sie auch bereits die Frage
bereute.
— — —
(Fortsetzung.)
„Was iss's mit der Reise nach Amerika?“
fragte die alte Frau, welche, das Temperament
ihres Sohnes kennend, einen Ausbruch seines
Jähzorns befürchtete. „Gehst Du im Auftrage
Deines Herrn dahin?“
„Natürlich! Glaubst Du, ich hege reine
so große Vorliebe für dieses Land, daß ich
mich durch die Reugier zur Reise dahin be—
wegen lassen könnte? Der Baron sagte mir,
ich müsse morgen schon aufbrechen, er habe
drüben dringende Geschäfte zu besorgen und
bedürfe dazu eines Mannes, dem er vertrauen
önne. Nun, er soll erfahren, daß ich sein
Vertrauen zu schätzen weiß. Ich mache es
nicht, wie andere Leute, welche vor ihrem Herrn
ein Gesicht schneiden, als ob sie nicht bis
drei zählen können und hinter seinem Rücken
ihn betrügen.“ — „Wann wird dieser unselige
Haß einmal ein Ende nehmen?“ versetzte die
alte Mutter, wehmüthig den Kopf schüttelnd.
„Wann!“ hödhnte der Förster, indem er
gleichgültig die Achseln zuckte. „Ich trage kein
Verlangen nach einer Aussöhnung, denn ich
finde, daß ich freier athmen kann, wenn ich
jenen Menschen nicht sehe.“
„Der Himmel gebe, daß das Schicksal
Fuch drüben zusammenführe, daß diese Reise
eine Fügung der Vorsehnng sei.“
„Sprich keinen Unsinn,“ fiel Hugo der
Mutter barsch ins Wort, „er sitzt drüben im
Gefängniß oder hängt vielleicht schon am Galgen.