Full text: St. Ingberter Anzeiger

zen, bis er vor dem Gafflhofe stand, in wel⸗ 
chem damals Bolling und der Baron von 
Westen abgestiegen waren. 
Auch diesmal zuckte der Kellner auf die 
Frage, wohin der Baron gereist sei, die Ach— 
jeln; ein Goldstück löste ihm die Zunge. Er 
erklärte, daß der Baron in Gemeinschast mit 
dem Gutsbesitzer abgereist und wahrscheinlich 
auf der Vesitzung des Letzteren zu finden sei. — 
Am Tage darauf fuhr Hugo ia Begleitung 
des Anerilaners ab. 
Zehntes Kapitel. 
Geständnisse. 
Am Morgen nach jener Nacht, in welcher 
Bölling sein ganzes Vermögen an den Baron 
oerloren hatte, saß Helene traurig und ver⸗ 
stimmt in ihrem Boudoir. Das seltsame Wesen 
des Gatten erregte in hohem Grade ihre Un—⸗ 
ruhe. Warum wollte er ihr nicht vertrauen, 
was er mit dem Varon gehabt hatte? Sie 
wußte, daß er an jenem Abend ihm ins 
Schlafzimmer gefolgt und bis spät in die 
Nacht bei ihm geblieben war. Weshalb ver⸗ 
schwieg er den Grund dieser Zufammenkunft? 
— Daß Bölling sehr spät zur Ruhe gegan— 
gen war, konnte sie daraus entnehmen, daß 
er jetzt noch schlief. Wie langsam schlichen ihr 
die Stunden hin! Sie hatte sich fest vorge⸗ 
nommen, den Gatten zu fragen, sobald er ins 
Zimmer trat, fie wollte, sie mußte Gewißheit 
haben.“— Aber als Bölling kam, als sie in 
sein bleiches verstörtes Antlitz sah, entfiel ihr 
der Muth. Zwar versuchte sie es, auf jenen 
Brief anzuspelen, in der Hoffnung, dadurch 
dem Gatten Veranlassung zu naäheren Er— 
orterungen zu geben. Aber Völling brach kurz 
ab, ja, es schien, als wolle er absichtlich zu 
verstehen geben, daß solche, Erörterungen ihm 
unangenehm seien. — Draußen im Garten 
keimte und grünte es, der Hauch des Früh— 
lings belebte die schlummernde Landschaft, 
die Primeln und Aurikeln blühten, und die 
Lerchen trillerten ihr lustiges Morgenliedchen. 
Mit welcher Sehnsucht hatte Helene dem Früh— 
ling entgegengesehen, wie manches reizende 
Lufischloß hatte sie gebant, als die Tage län⸗ 
ger nurden und der Schnee schmolz, als nun 
der Frühling kam? Jetzt gedachte sie mit 
Wehmuth der Winterzeit und der innigen ver⸗ 
trauenden Liebe, welche damals der Gatte ihr 
entgegentrug. — Das Menschenherz hofft und 
zlaubt, und die Hoffnung bricht eine leuch 
ende Bahn in die dunkle Nacht der Zukunft. 
Aber das Gestirn trügt, die Wolken des 
Schicksals verdunkeln es, wenn der Mensch 
jene Bahn betreten will. Das Herz wird aicht 
nüde zu hoffen, das Leben ist ja nur eine 
dette von Hoffnungen und Wünschen! 
Wehmüthig sinnend schaute Helene hinaus 
in den Frühling,' — wenn sie schon jetzt die 
diebe und das Vertrauen des Gaiten verloren 
jatte, was sollte es dann später werden! 
Sie blickte sich um, Bdolling hatte das Zim⸗ 
ner verlassen. Sie stand auf. Vielleicht konnte 
der Vater ihr Aufklärung geben, vielleicht 
zatte Bölling vor ihm sein Herz ausgeschüttet. 
And konnte er es nicht, so mußte er ins 
Hittel treten, er war ja ihr Vater, ihm 
zurfte der Schwiegersohn eine Erklärung nicht 
zerweigern. 
Im Begriff, den Vater aufzusuchen, sah 
iie den alten Steffens eintreten. Er war bleich, 
derwirrt, in seinen Zügen las Helene deutlich, 
daß er eine unangenehme Botschaft brachte. 
— Eine dunkle Ahnung sagte ihr, daß sie 
zor einem Wendepunkt ihres Leben stehe, daß 
er nächste Augenblick über ihr Glück, ihren 
Frieden entscheiden werde. 
(GFortsetzung folgt.) 
Charade. 
Das Erste möcht' gern Jeder sein, 
Die Letzte feste Mauern hat, 
.. Das Ganze, Leser, nennet dir 
In Baden eine schöne Stadt. 
Auflösung des Sylbenräthsels in Nr. 62 des Un⸗ 
terhaltungsblattes: Wahnwiße 
Drud und Verlag von F. X. Deiaeß in St. Ingbet. —