Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
Aum 
St. Ingberter Anzeiger. 
Nr. 67. Donnorstag, den 8. Jun— 
1831. 
Die Brüder. 
OriginalNovelle von Ewald August Koͤnig. 
schäfte abschließen und zwar mit einem Agenten, 
welcher den Gewinn mit ihm theile. Wenn 
alsdann das Falliment ausbreche, solle der 
Buchhalter dafür Sorge tragen, daß sie als 
Syndik gewählt würden, Sie wollten die 
Gläubiger bestimmen, nur dann einen Accord 
einzugehen, wenn der Commerzienrath seinem 
Buchhalter die Firma übertracge. Die Hälfte 
jenes Gewinnes, welchen der Buchhalter aus 
den für Rechnung seines Principals abgeschlos⸗ 
senen Geschäften beziehe, werde hinreichen, die 
Ansprüche der Gläubiger zu befriedigen. Sie, 
derr Helmes, gingen um so bereitwilliger auf 
diesen Vorschlag ein, als Sie ebenfalls Ihrem 
Prinzipal Haß nachtiugen. Sie beschwerten 
sich, der Commerzienrath sei stolz und anma⸗ 
zend, er zahle Ihnen einen so geringen Ge— 
halt und fordere demungeachtet die ganze 
Leitung des Geschäfts. Der Plan gelang, 
das Falliment brach aus, Sie, Herr Assessor, 
wurden Syndik, der Commerzienrath mußte 
die Firma übertragen und Herr Helmes sitz! 
jetzt im Kabinet seines früheren Prinzipals.“ 
(Fortsetzung.) J 
Georg empfing den Assessor in derselben 
kurz angebundenen Weise, wie er den Bankier 
empfangen hatte, er bot ihm einen Sessel an 
und schloß, während Waldau Platz nahm, die 
Thüre zu. 
Wir sind unter uns, meine Herren,“ hob er 
an, nachdem er ebenfalls sich gesetzt hatte, 
„ganz unter uns. Bevor ich auf mein eigent⸗ 
liches Anliegen an Sie komme, erlauben Sie 
mir, Ihnen eine Unterredung ins Gedächtniß 
zurückzurufen, welche im vorigen Herbst in der 
Weinschenke zum sielbernen Mond statifand. 
Es war, wenn ich nicht irre, am Tage der 
Hochzeit des Fräulein Weber mit dem Guts— 
besitzer Bölling. Sie beide saßen in jenem 
Weinhause und zwar in dem Kabinet, welches 
an die Gaststube stößt, in vertraulichem Ge⸗ 
spräch beisammen. Erinnern Sie sich jenes 
Gesprächs noch?“ 
Helmes erbleichte, der Assessor hielt seinen 
Blick fest und ruhig auf den Redenden 
gerichte. 
„Ich kann Ihnen dasselbe fast Wort für 
Wort wiederholen,“ fuhr Georg fort. „Sie, 
Herr Assessor, waren damals noch Referendar 
und haßten den Commerzienrath Weber, — 
aus welchem Grunde, ist mir bis heute noch 
ein Räihsel. Um diesen Haß zu befriedigen, 
redeten Sie dem Buchhalter des Commerzien⸗ 
rathes ein, er solle seinen Prinzipal zu ge⸗ 
wagten Geschäften verleiten, Spekulationsge⸗ 
„Bevor Sie fortfahren, frage ich Sie, mit 
welchem Rechte Sie hierüber eine Erklärung 
von uns fordern,“ fragte der Assessor ge— 
lassen. 
„Sie werden dies später erfahren, mein 
derr. Weigern Sie sich aber jetzt, mein 
Recht schweigend anzuerkennen, so werden Sie 
vor den Schranken des Gerichts diese Weige— 
rung vielleicht bereuen.“ 
„Vor den Schranken des Gerichts ?“ 
fragte der Assessor spöttisch. „Das Gerücht 
würde mir Recht geben, mein Verfahren in