herum und aus den Werkstuben der Hand⸗
werker und den Arbeitssälen der Fabriken
grüßte munterer Gesang die milden Strahlen
der Herbstsonne.
Das Haus des Commerzienraths Weber
war heute festlich geschmückt. Lorbeer⸗ und
Drangenbäume standen in der Vorhalle, Guir⸗
sanden schmückten das Geländer der Treppe
und über der Flügelthüre, welche in den
Salon führt, hing ein riesiger Blumenkranz.
Der Salon selbst war mit Guirlanden und
tränzen verziert, im Kamine loderte ein lu⸗
stiges Feuer und auf der gedeckten Tafel
prangte das massive Silbergeschirr. Es waren
dieselben Vorkehrungen, welche man bei der
Hochzeit Helenen's, vordem und nachdem aber
niemals, getroffen hatte und die auf eine
Festlichkeit schließen ließen, welche an Wich—
ligkeit jener Hochzeit zum Mindesten gleich
stehen mußte.
Das vermuthete auch der Diener, welcher
erst vor vierzehn Tagen seinen Dienst im
Hause des Commerzienraths angetreten hatte,
auud der jetzt in dem blauen Galafrack mit
ächt silbernen Knöpfen, den schwarzen Knie—
hosen, den schwarzseidenen Strümpfen und
Schnallenschuhen ab und zuging, um hie und
da noch einige kleine Anordnungen zu treffen.
So oft er an der Tafel vorbeischritt, ließ er
seinen Blick mit einem unverkennbaren Aus—
druck des Erstaunens auf derselben ruhen,
irgend etwas mußte ihm räthselhaft erscheinen,
denn mar las in seinen Zügen, wie sehr er
sich bemühte, dieses Räthsel zu lösen. Er
schüttelte mehrmals den Kopf, und die Art
uid Weise, wie er dies that, ließ deutlich
eine wohlbegründete Mißbilligung erkennen.
Endlich schien es, als ob er diese Miß—
billigung nicht länger hinter geduldigem
Schweigen verbergen konnte, er zog seine
weißen, baumwollenen Handschuhe aus der
Tasche und trat, während er diese anzog, vor
den Kamin, um einen Blick auf die Pendule
zu werfen, welche auf dem Simse dieses Ka⸗
mins stand. — „Zwei Uhr,“ murmelte er,
„also noch eine halbe Stunde! Mich soll ver⸗
langen — aber Geduld, wir werden ja sehen.
Vier Gedecke und dazu diese Mühe und Ar—⸗
beit! Das nennt dieser bürgerliche Aristokrat
ein großes Haus machen!“
Er verließ nach diesen Worten das Zim—
ner, nicht ohne seinem Zorne, als er an der
Tafel vorbeischritt, durch ein Achselzucken ver—
ichtlicher Geringschäzung Ausdruck zu verleihen,
chritt die Treppe hinunter und trat in das
Zimmer des Portiers, welches dicht neben der
Ddausthüre lag.
Der alte Steffens hatte, ohne die Erlaub⸗
niß des Bankiers abzuwarten, seinen früheren
Dienfst sofort wieder angetreten und der Com⸗—
nerzienrath war keineswegs überrascht, als er
ines Abends die Glocke zog und Steffens
hm die Hausthüre öffnete. Er reichte dem
reuen Diener die Hand und bot ihm lächelnd
zuten Abend; weitere Worte wurden zwischen
hnen auch am nächsten Tage nicht gewechselt.
Steffens hatte heute ebenfalls seine Uni⸗
form angelegt, ein Beweis, daß der Commer⸗
ienrath die Gäste, die er erwartete, ehren
vollte. Er saß die Brille auf der Nase, an
einem Tisch und las mit andächtiger Ruhe
nn der Hauspostille, die von Urgroßvaters
Zeiten her ein Erbstück seiner Familie war.
Diese Beschäftigung hinderte ihn nicht, den
Mops, der auf seinen Knieen lag, zu liebkosen.
Als der Diener eintrat, sah der alte
Mann von seinem Buche auf, und auch der
Mops erhob seinen unförmlichen Kopf, um
hn nach einigen Sekunden wieder träge fallen
uu lassen.
„Störe ich?“ fragte der Diener.
Der Alte schüttelte den Kopf, legte die
Brille auf das Buch nnd winkte seinem Ka⸗
meraden, Platz zu nehmen.
„Ich bin nun vierzehn' Tage hier und
fann mich im Allgemeinen nicht beklagen,“
job der Diener an, nachdem er der Einladung
gefolgt war, „aber Eins muß ich Euch doh
zestehen: zum Sterben langweilig ists in
dem großen Hause.“
Ein pfiffiges Lächeln glitt über die Züge
des alten Manncs. „Wird anders werden,“
erwiderte er gelassen, „geduldet Euch nur
noch einige Tage, Ihr sollt sehen, die junge
Herrschaft bringt uns mehr Abwechslung, wie
uns angenehm ist.“
„Die junge Herrschaft ?“ fragte der Diener
erstaunt.
„Ei freilich, Monsieur Jean!“ Wart ihr
denn blind, daß Ihr das nicht bemerktet ?