Full text: St. Ingberter Anzeiger

sbpfchen schüttelnd, „für dieses Eine gäbe ich 
au' diese Herrlichkeiten gerne hin.“ 
Von den Lippen des alten Herrn ver—⸗ 
schwand das Lächeln. 
„Das Portrait meiner Mutter,“ fuhr 
Barbara fort. „Ich finde hier nichts, was 
mich an sie erinnert.“ 
Der Commirzienrath faßte die Hand des 
Maädchens, und führte es vor den Spiegel. 
„Was du suchst, hier ist es,“ erwiderte er— 
„der Zeschickteste Maler hätte das Bild nicht 
ähnlicher walen können. — Und jetzt zu Tische,“ 
setzte er hinzu, „wenn wir abgespeist haben, 
jühre ich euch in die Zimmer, welche Georg 
und dessen Mutter bewohnen sollen.“ — * 
Steffens hatte die Wahrheit gesagt. Es 
war dem Bankier schwer gefallen, auf die 
Forderung seiner Tochter einzugehen, aber die 
Vaterliebe überwog alle kleinlichen Bedenken, 
er hatte sich bereits an den Gedanten gewöhnt, 
daß Georg sein Schwiegersohn wurde; als er 
diesen näher kennen und achten lernte, fand 
er keinen vernünfligen Grund mehr, mit der 
Wahl seiner Tochter unzufrieden zu scin. — 
Georg hatte ihm seine ganze Vergangenheit 
offen gelegt, er hatte zu ihm gesprochen, wie 
ver Sohn zu seinem Vater sprechen soll und. 
ohne sein Vergehen zu beschönigen oder zu 
entschuldigen, ihm anheimgestellt, zu beurthei⸗ 
len, ob er wirklich so strafbar sei, wie der 
zffenliche Meinung nach dem Urtheilsspruch 
des Gexrichts ihn hingestellt zabe. Diese Frage 
hatte der Commerzeenrath mit „Ntin“ beant⸗ 
wortet. Wenn er auch nicht in Abrede slellte, 
daß jene Fälschung ein strafbares Vergehen 
gewresen sei, so könne man doch auf der an⸗ 
deren Seite die Jugend Georg's, die Ursache 
dieses Vergehens und den festen Willen, die 
Summe zu ersetzen, als Entschutdigungsgründe 
gelen lassen. Ueber das zweite Verbrechen, die 
Beraubung der Kasse, schwieg der Commercien⸗ 
rath, weunn er ehrlich sein wollte, mußte er 
sich selbst anklagen, er fand es natürlich, daß 
das Opfer seiner verbrecherischen Machinationen 
sich zu rächen versucht hatte. Das entehrende 
uͤrtheil des Gerichtshofes, der einzige Schand⸗ 
flech, welcher auf der Vergangenheit Georgs 
haftete, war durch die Ehrenerklärung cassirt, 
Ladurch, daß der Verurtheilte die Tochter 
des Commerzienxaths heirathete, wurde je⸗ 
der Zweifel, der noch auftauchen konnte, im 
Keime erstickt. 
Georg hatte sich lange geweigert, im Hause 
des Commerzienraths seine Wohnung zu neh⸗ 
men. Aber als er sah, mit welcher Liebe der 
alte Herr an seiner Tochter hing, als Bar⸗ 
bara in seinem Beisein dem Vater erklärte, 
sie werde nicht von der Seite ihres Bräuti— 
zgans weichen, gab er den Bitlen des Ban—⸗ 
kiers nach, unter der Bedingung, daß ihm 
und seiner Mutter das oberste Stockwerk ein⸗ 
geräumt würde. Diese Bedingung nun war 
der Commerzienrath ohne Zögern eingegangen, 
er hätte sich zu jedem Opfer entischlossen, 
wenn er nur Barbara um sich haben konnte. 
Georg hatte erklärt, daß er nach der 
Hochzeit sich mit seiner Gattin und feiner 
VYutter auf ein kleines Laudgut zurückziehen 
werde, das Leben in der Stadt sage ihm 
nicht zu, er müsse Beschäftigung haben und 
die finde er am Besten in Gottes sreier Natur. 
Barbara war mit diesem Plaue umsomehr 
einverstanden, als auch sie das Landleben 
jedem anderen vorzog, auch wollte sie den 
Batten ganz für sich haben, er sollte Nie— 
mandem, als nur ihr allein angehören. und 
diesen Wunsch hoffte sie auf dem Lande eher 
zu erreichen, als in der Stadt, wo Georg 
vielleicht bald einen Kreis von Freunden fand, 
der ihn fesselte und dem eignen Familienkreis 
allmählig entfremdete. 
Der Commerzienrath war, nachdem er 
diese Erklärung vernommen hatte, rasch mil 
seinem Entfchluß in's Reine gekommen, er 
wollte Barbara nicht verlassen. — Es ist nicht 
schwer, zu begreifen, woher diese Alles besie⸗ 
gende, Alles opferade Liebe rührte, welche in 
das Herz des alten Mannes so plötzlich einzog 
und es so ganz erfüllte. Bardara war das 
Ebenbild ihrer Mutter, der Einzigen, welche 
der Commerzienrath geliebt hatte. Sah er in 
das frische, rosige Antlitz des Mädchens, hörte 
er ihre helle, liebliche Slimme, dann tauchten 
alte Erinnerungen in seiner Seele auf, die 
vergangenen, ach die schönsten Tage seines 
Lebens zogen seinem geistigen Auge vorüber, 
seine Jugend, sein Frühling kehrte noch ein— 
mal zurück. Wohl liebte er auch Helene, aber 
diese Liebe glich nicht der, welche er zu Bar— 
bara in seinem Herzen irug. Er hätte sfür