Full text: St. Ingberter Anzeiger

dann eine Abschiedsfeier für all' seine Freunde 
und Bekannte. 
Als das junge Ehepaar in den Wagen 
stieg, welcher sie zum Bahnhof bringen sollte, 
übergab Steffens dem jungen Manne ein 
Portefeuille. Es war mit Banknoten gesüllt; 
as Georg es am nächsten Morgen näher 
untersuchte, fand er außer diesen den Kaufakt 
über jenes Gut, auf den Namen Georg Kraus 
ausgefertigt. 
Dem Glübklichen schlägt keine Stunde! 
Im Flugeé verrinnt ihm die Zeit, die Jahre 
schwinden, er zählt sie nicht. Nur dann, wenn 
plötzlich über die Sonne seines Glückes eine 
schwurze Wolke hinzieht, wenn das Schicksal 
ein unerbittliches „Halt!“ ruft und er sich 
umschaut, wenn er dann sieht, daß sein Haar 
zrau und der Blick jeines Anges matt ge— 
worden ist, oder wenn, der Tod, der den 
Glücklichen so wenig verschont wie den Elen⸗ 
den, der keinen Unterschied macht im Stand, 
Rang und Alter, ihm die abgelaufcne Uhr 
porhaͤlt, daun blickt er, aus dem Traume, 
n welchen das Glück ihn gewiegt hatte, em⸗ 
porschreckend, zurück in die Vergangenheit und 
fragt sich zweifelnd, ob es ein“ Traum“ oder 
Wirtlichkeit gewesen, was hinter ihm liegt. 
Aber wußte er denn nicht, daß sein Haar er⸗ 
graute, daß der Glanz seiner Augen erlosch? 
O freilich wußte er's, aber er achtete nicht 
darauf, —- wenn das Herz jung bleibt, wenn 
in der Brust ein ewiger Frühlingsgarten grünt 
und blüht, was thut's, ob dann die Hütte 
morsch und baufätlig wird! Sie ist vom 
Staube, zum Staube muß sie zurückkehren! 
Glück! Wie rasch ist das Wörtchen gesagt 
und ach, wie schwer wiegt es! — Aber gibt 
es denn ein' vollkommenes Glück? Gewiß, fo 
— 
oollktommen und rein kann auch das Erden⸗ 
glück in das Menschenherz einzehen. Wenn 
das Herz nur veisteht, sein Gück zu erfassen, 
und den Tämon, der es anfeindet, zu besie— 
gen, Glücklich der, welcher das vermag. Jener 
Dänion, der Neid, dessen Hauch den Duft 
der Blumen verpestet, unter dessen eisiger Hand 
das warme Leben erstirbt, dessen Blick die 
Engel des Friedens und der Freude ver— 
heucht, er ist der Erbfeind und der Urquell 
iller Laster und Verbrechen. — — O haͤlte 
'est, was Du Dein wennst, sei zufrieden mit 
vem, was die Gunst des Schicksals Dir gab, 
volle nicht höher, wie Du siehst, dann bist 
Du glücklich! — Ist das Leben' nicht ein 
wiges Wünschen und Hoffen? Und schweigen 
Deine Wünsche, wenn sie erreicht sind? 
Wenn Deinem Herde Mangel und Krankheit 
tern bleiben, dann überlaß die Wünsche und 
hoffnungen den Armen und Elenden, die 
zer goldenen Luftschlösser bedürfen, um die 
nackte Wirklichkeit zu vergessen. 
— C(Ehuuß folt) 
Mannuigfaltiges. 
(Poetisches.) Eine Nummer des in 
Berlin von eem Abgeordneten Parisius heraus⸗ 
segebenen „Volksfreund“ euthält den ersten 
Theil eines Aufsatzes unter der Ueberschrift: 
„Des Herrn Referendarius Heinrich v. Ui ü h⸗ 
er Gedichte öder ein preußischer Caltusmi— 
zisier, der seinen Beruf verfehit hat.“ Die 
darin mitgetheilten Proben Mühnler'scher Ge⸗ 
ichte sind überraschend. Besonders erfeulich 
LAmgt der Vers:. 
Wollt'man zum Minister wählen 
Mich beim Wein,— 
Ha, dann könnt' es mir nicht fehlen 
Bei dem Wein; 
Welche Reden wollt' ich halten, 
Wie würd' ich das Veben verwalten, 
Trunken müßten Alle sein — 
Boll von Wein! 
Mittel gegen das Gerinnen 
der Milch. Irm südlichen Rußland, wo 
vährend des Sommers die Temperatur durch- 
chuittlich 250 R. erreicht, schützen sich die 
Landleute gegen das Gerinnen und Sauer— 
verden der frisszen Milch dadurch, daß sie 
in dieselbe einiee Tropfen frischg preßten Meer⸗ 
cettigsaft tröpfeln und unterrühren. 
Auflösung des Räthsels in Nr. 65 des Unterhalt⸗ 
ungsblattes: „Da s Wort.“ 
Druch and Verlag von F. X. Dereß in St. Jugbert.