Herz ihr den Rechten bezeichne; bis derselbe
eintreffe, wolle sie sich gedulden. Mit dieser
Erklärung mußte der Vater sich begnügen,
dessen edler Charakter sich niemals zu einer
Zwangsheirath verstanden haben würde, und
wenn auch oft die Gleichgültigkeit und Kälte
seines Kindes gegenüber den jungen Kavalieren,
die das schöne Mädchen umschwirrten, in sei⸗
ner Seele ernstes Bedenken wachrief. so ver⸗
traute er doch darauf, daß mit der Zeit der
Rechte sich einstellen und dann Eleonore seinen
Wunsch erfüllen werde.
Nach dem Tode des Grafen von Strahlen
dlaubten die jungen Herren leichtes Spiel zu
haben. Nach ihrer Ansicht war Eleonore ein
hülf⸗ und nutzloses Mädchen, eine verzärtelte
unerfahrene Dame, die weder ihren Reichthum
verwalten, noch eine unabhängige Selbststän—
digkeit behaupten konnte und deßhalb so rasch
wie möglich einen Gatten wählen mußte, in
dessen Hände sie alle ihre Interessen niederle—
gen durfte. Aber Eleonore bewies ihnen sehr
rasch, daß diese Ansicht jede Stütze entbehrte.
Sie fühtte die Zügel, welche der Tod des
Vaters in ihre Hände niedergelegt hatte, mit
einer Energie und Kraft, welche Erstaunen
und Bewunderung erregen mußten, und die
ihr unbequemen Freier wußte sie durch die
Erklärung, daß sie es für ihre Pflicht erachte,
fie auf das Nutzlose ihrer Hoffnungen und
Werbungen aufmerksam zu machen, sich fern
zu halten. Sie bewieß ferner ihren theilneh⸗
menden Freunden und Bekannten, daß sie
auch in der Verwaltung der Güter Erfahrung
besaß und daß sie keineswegs so hülf⸗ und
schußlos war, wie jene behaupten wollten.
Der alte Verwalter hatte unler der strengen
Controlle des Grafen keine Gelegenheit gefun⸗
den, sein Schäfchen zu scheeren; kaum ruhte
der alte Herr in der Familiengruft, als der
Verwalter darauf Bedacht nahm, das Ver⸗
säumte einzuholen. Er rechnete auf die Uner—
fahrenheit und Leichtgläubigkeit des gnädigen
Fräuleins; er sollte hereits nach einem halben
Jahre die unangenehme Entdeckung machen,
daß er sich verrechnet hatte.
Eleonore prüfte die Rechnungsablage sehr
charf, und so schlau der Verwalter die Un⸗
lerschleife verdeckt zu haben glaubte, das gnä—
dige Fräulein fand sie und machte, wie man
zu sagen pflegt, kurzen Prozeß. Der Verwal⸗
ter wurde sofort entlassen, Eleonore zahlte
hm eine nicht unbedeutende Summe in Aner⸗
kennung seiner früheren treuen Dienste und
zab ihm den Rath, nach Amerika auszuwandern.
Diese plötzliche Entlassung eines Mannes
der dem Grafen zwanzig Jahre hindurch treu
gedient hatte, erbitterte im ersten Augenblick
die Pächter Eleonore's gegen die neue Herrin;
aber diese Erbitterung wich dem Lobe und
der aufrichtigen Bewunderung, als die Päch⸗
ser den wahren Grund jener Entlassung er⸗
fuhren. Die Mildthätigkeit und Menschen⸗
reundlichkeit Eleonore's, die Herzensgüte und
die strenge Gerechtigkeit, die sie auch dem
Beringsten unter ihren Dienern zu Theil
werden ließ, und der warme Antheil, den sie
an dem Wohl und Wehe eines Jeden nahm,
gewannen ihr rasch die Herzen Derjenigen,
die mit ihr in Berührung kamen.
(Fortsetzung folgt.)
Logogryph.
So ist der Mensch! Zwei kleine Sylben gelten
Für's höchste Gut in allen beiden Welten.
Und sind es dennoch nicht.
Denn wehe, wem nicht dreimal theurer wäre,
Als dieses Wörtchen, seines Namens Ehre
Und seine Pflicht.
In jedem Wesen sluhten seine Kräfte,
Es treibt im Kreis die nahrungsvollen Säfte,
Und es bewegt den Geist.
Im Glanze siehst du es auf hohen Thronen,
Bei denen glücklich, die in Hütten wohnen.
Wie Hölty vreis't.
Kehr' seine Zeugen, und mit grauen Wogen
hält es ein Feenland oft überzogen,
Doch lange, Leser, nicht.
Hat Helios sein Goldgespann bestiegen,
Siehst du die dunkeln Fluthen schnell besiegen,
Und es wird Licht.
Vor deinem Blicke blühen Paradiese,
Es steigt der Berg, es öffnet sich die Wiese,
Es wallt der Ströme Silberband;
Und tausend bunter Sänger helle Lieder,
Sie schallen durch die weiten Lufte wieder
Durch's frohe Land.
Auflösung der zweifilbigen Charade in Nr. 70 des
Unterhaltunasblattes: Tagdieb.“
Druck und Verlag von F. X. Demesß in St. Ingbert.