Anterhaltungsblatt
St. Ingberter Anzeiger.
Nr. 77. Sonntag, den 2. Juli
1821.
Ein dunkles Geheimniß.*
Novelle von
Ewald August König.
zlaubt? Sie sind zu ehrlich, lieber Mann, wer
Jeutzutage etwas gelten will, muß nicht immer
den schnurceraden Weg wandern. Na, ich
yoffe, wenn wir einander näher kennen lernen,
verden wir uns bald verstehen; manus ma-
mum lavat; wenn Sie den Verhältnissen, in
velche Sie heute eintreten, einige Aufmerksam—
eit schenken, werden Sie schon finden, wo der
dase im Pfeffer liegt. Der Verwalter schüttelte
weifelnd den Kopf. „Das verstehe ich nicht,
derr Baron, ich denke, Jeder muß seine Pflicht
rfüllen und wenn er ehrlich und rechtschaffen
—XV
in Sclave-Derjenigen, die aus seiner Ehr⸗
ichkeit allein Gewinn ziehen, fuhr der Frei—
jerr, ihn unterbrechend, fort; man kann seine
Vortheile wahrnehmen, ohne deßhalb von der
Bahn eines Ehrenmannes abzuweichen. Hier
ind wir an Ort und Stelle, ich werde Sie
inmelden, warten Sie hier, bis ich Sie rufen
asse. Der junge Mann wanderte in dem ihm
ingewiesenen Zimmer eine geraume Weile auf
ind ab, eine Wolke des Unmuths trübte seine
yohe, glatte Stirn, offenbar hatten die Worte
yes Freiherrn feine Entrüstung geweckt. „Sagte
et mir nicht geradezu, ich müsse seine Vortheile
vahrnehmen und vor dem Betruge nicht zu⸗
ückzuschrecken 7?** murmelte er „Manus ma⸗
num lavat,“ das will bedeuten: „Halb
Part, dann drücke ich bei Revision Deiner
stechnungen ein Auge zu.“ Möglich auch, daß
ch dem Freiherrn bereits unbequem bin, daß
er mir nur eine Falle stellen will, um das
Damoklesschwert über mein Haupt halten zu
önnen. Aber es liegt ja in; seiner Macht,
vie er sagt, mir die Verwalterstelle zu ver—⸗
(Fortsetzung.)
Sie werden gestern Abend vernommen
haben, daß Comtesse von Strahlen mit dem
Baron von Reden verlobt war, nahm der
Freiherr nach einer Weile wieder das Wort.
Ich mache Sie darauf zaufmerksam, daß die
—
resse jenen Selbstmord nicht zu erwähnen, noch
durch irgend eine Bemerkung denselben anzu⸗
pielen. Die junge Dame ist sehr reizbar, sie
kann sich noch immer nicht mit dem Gedanken
befreunden, daß ihr Verlobter so feige und
harakterlos gewesen sein soll, und wenn sie
auch jetzt eine geduldige Ergebung zur Schau
trägt, so glaube ich doch die Vermuthung he⸗
gen zu dürfen, daß sie im Stillen noch oft
jenem erschütternden Ereignisse nachgrübelt.
Sie werden deßhalb wohl thun, Ihre Helden⸗
hat geheim zu halten und es fortan dem
Gastwirth in der Sonne zu überlassen, auf
welchem Wege und durch welche Mittel er
seinen Gästen die Furcht vor dem Zimmer
Nummer Siebenzehn benehmen will. „Ich
derstehe,“ erwiderte Stern mit einem prüfen⸗
den Seitenblick auf die gleichmüthigen Züge
seines Begleiters, „das also war der Grund,
der Sie abhielt, den Wunsch des Wirthes zu
erfüllen ?“
Allerdings, oder halten Sie mich für
einen Einfaltspinsel, der an Ammenmährchen