ihm peinlich, diesem Manne, den er in tiefster
Seele verachtele, gegenüber zu sitzen, und die
flache Unterhaltung desselben auhören zu müssen.
Aber schon nach dem ersten Gange lankte
Eleonore mit feinem Takt die Unterhaltung
auf ein Feld, auf welchem der Verwalter ihr
folgen konnte, trotzdem sie wissen mußte, daß
sie dadurch den Freiherrn beleidigte, der für
die O konomie kein Verständniß besaäß.
Die Kenntuisse des Verwalters, die Frei⸗
müthigkeit, mit der er feine Ansichten äußerte,
die Erfahrungen, auf die er sich stützte, und
die Vorschläge, die er im Laufe des Gesprächs
zu machen sich erlaubte, schienen die junge
Dame eben so sehr zu überraschen, wie seine
gediegene Bildung, die ihr nicht entgehen
konnte. Man sprang von der Oekonomie zur
Literatur, zur Musik und zur Kunst und von
dieser wieder auf andere Felder über, und
nie zeigte der Verwalter eine Verlegenheit und
Unsicherheit. Das schien sogar den Freiherrn
zu frappiren und ihn zu veranlassen, den jun⸗
gen Mann, der so kühn vund sicher das Wort
führte, in Verlegenheit zu bringen oder gar
in den Augen der Comtesse lächerlich zu ma⸗
chen. Ec wählte ein Theua, für welches der
Verwalter nach seiner Ansicht kein Verständniß
haben konnte; das Leben am Hofe und in
den feinsten Cirkeln der Residenz. Er kritisirte
die Verhältnisse, in denen der Hof und der
höchste Adel sich bewegte, und wartete nur
darauf, daß auch hierüber der schlesische
Oekonom sich ein Urtheil anmaßen möge, um
dieses Urtheil als Waffe gegen ihn zu be⸗
nutzen. Aber merkwürdigerweise war das Ur⸗
theil, welches der Verwalter mit wenigen, aber
scharfen Worten fällte, so bezeichnend und so
fein zugespitzt, daß der Freiherr nicht wagte,
gegen dasselbe in die Schranken zu treten,
trotzdem es auch über ihn den Stab brach.
Er sah ein, daß er auf diesem Wege dem
jungen Manne nichts anhaben konnte, und
daß er Gefahr lief, die Lächerlichkeit auf seine
eigenen Schultern zu laden, wenn er sich“ mit
Jenem in einen Wortwechsel einließ.
Der Blick, welchen Eleonore ihrem Ver—⸗
walter zuwarf, drückte Erstaunen und Bewun⸗
derung aus und von diesem Abende an durfte
der Verwalter sich ihr nähern ohne sich vor—
her anmelden zu lassen. Sie hatte in Gegen⸗
wart des jungen Mannes ihrem Kammerdiener
befohlen, den Verwalter unangemeldet vorzu—
assen, und dabei den Wunsch geäußert, Herr
Stern möge von dieser Erlaubniß oft Gebrauch
machen. Der Verwalier that dies nicht, nur
venn er die Genehmigung der Comtesse zu
rgend einer Anordnung in der Verwaltung
einholen mußte, ging er zu ihr. Dann aber
durfte er auch jedesmal darauf rechnen, daß
Eleonore ihn nicht sobald wieder entließ, er
mußte ihr über alle möglichen Dinge Rede
tehen, die der Verwaltung ihrer Güter
and der Landwirthschaft überhaupt ganz fremd
agen.
Zu Beginn des Frühlings traf es sich
einmal, daß bei einer solchen Unterredung der
Feiherr nicht zugegen war, und Eleonore
chien auf einen solchen Augenblick gewartet
zu haben, um sich Gewißheit zu verschaffen
iber die Zweifel, die am Weihnachtsabend in
einer Seele aufgetaucht waren.
Sie sind nicht der, welcher Sie scheinen
vollen, Herr Stern, sagte sie, als der junge
Mann sich erhoben hatte, um Abschied zu
aehmen. Ich will mich nicht in Ihre Ge—
zeimnisse eindrängen, aber ich vermuthe, daß
rine stürmische Vergangenheit hinter Ihnen
liegt. Hüten Sie sich vor dem Freiherrne ich
weiß nicht, was er gegen Sie hat, aber daß
er Sie haßt, glaube ich schon oft entdeckt zu
haben. Was er auch gegen Sie unternehmen
mag, vertrauen Sie auf mich, ich werde nicht
dulden, daß Ihnen Unrecht geschieht. Der
Verwalter Slickte der jungen Dame offen und
dertrauensvosll ia's Auge. Welchen Vermuth⸗
ungen Sie sich auch über meine Vergangenheit
hingeben mögen, gnädiges Fräulein,“ erwiderte
er ruhig, „Sie dürfen sich darauf verlassen,
daß ein Freund in Ihrer Nähe weilt, das
sein Leben für Sie einsetzen würde, wenn
das Schicksal es gebietet. Forschen Sie nicht
veiter, und überlassen Sie es der Zeit, die
stäthsel zu lösen, die Sie heute noch nicht er⸗
forschen können.
Hatte der junge Mann mit dieser Antwort
ju viel gewagt, oder ahnte der Freiherr den
Inhalt jener Unterredung, die in seiner Ab—
wesenheit geführt worren war, er achtete es
etzt für nöthig, die Beiden schärfer zu
heobachten; genug, der Verwalter wurde unter