Profefsors unb seines Amanuensis, sämmtlich
— seekrank! Ich hatte irgend einmal gelesen,
daß die Seekrankheit nicht aus einem Paro⸗
rismus des Magens, sondern aus dem Gehirn
sich entwickle und das Eis in den Nacken
gelegt, die bedenklichste Symptome zur Ruhe
bringe. Ich erlaubte mir, dieses Mittel vor⸗
zuschlagen, und im Nu hatte der dicke Hu—⸗
morist einen Klumpen Vanille⸗Eis aus dem
mitgenommenen Bleikübel voll Gefrornen ge⸗
hoben und sich auf den Halswirbel gellappt.
Die Damen röchelten unmelodisch auf dem
Boden des Korbes, der noch immer einen
ruckweisen Mazurek tanzte. Es hätte wenig ge⸗
fehlt, so hätten wir schnellstens eine Sturm⸗
petition an den Professor gerichtet, uns sofort
wieder zu unseren Penaten zurückzuführen,
aber plötzlich begann der Ballon in anmuthiger
Gelassenheit weiter zu steigen, so daß wir
kaum wußten, ob wir uns bewegten oder,
einem von Windstille überraschten Schiffe
gleich, regungslos stillständen. Sehr bald hatten
wir die Nachwehen der Seekrankheit überwunden
und standen in den Augenblick des Wellpa⸗
noramas zu unseren Füßen versunken. Die
Flüsse erschienen wie silberne Zwirnfäden,
die Brücken wie Weinreben, die Kirchen waren
für das Auge nicht größer als Schnupftabaks-
dosen, und selbst durchs Fernrohr nahmen
die Zuschauer im Garten des Bürgermeisters
sich nicht größer aus als ein Haufen erfrorener
Ameisen und nicht als Herren der Schöpfung
die in hoher und niederer Politik machen
und schwere Staatssteuern zu entrichten
haben.
Hinauf! Hinauf! Wie ein ruhig schwe⸗
bender Adler stieg unser Gefährt in den
stillen Aether. Es wurde kalt, und wir wickelten
uns in Shawls und Mäntel bis zur Nasen⸗
spitze ein, während ein peinlicher Druck sich
auf die Schläfen fühlbar machte und uns die
Ohren zu sausen begannen, als habe sich ein
halbes Dutzend Brummfliegen in ihrem Laby⸗
rinthe verirrt. Dazu schnob das Gas aus
dem Boden des in pfirsichblüthrothem Glanze
leuchtenden Vallons und zwang uns, den
Kopf nach Außen zu wenden, wo unseren
Blicken nichts als die tiefblaue Oede be—
gegnete. Da lenkte ein Schrei unsere Augen
nach oben.
Der Ballon war schwarz!
Jeder von uns war in dem Augenblicke
„Gänsehaut“ vom Scheitel bis zur Zehe.
Allgemeines Zähneklappern! Wir meinten jeden
Augenblick, daß der Globus in Flammen
uufgehen werde. Der Professor lächelte mit
ohilosophischer Ruhe und versicherte, Alles sei
n Ordnung, zog jedoch an dem Stricke,
velcher zur Gasklappe führte, und wir sanken
s'angsam um einige hundert Ellen. Das Athmen
vurde uns leichter. Wir glitten, von einer
charfen Luftströmmung getragen, mit großer
Schnelligkeit nach Westen, gerade auf ein
Bebirge von Wolken los, das in silbernem
Glanze mit riesiger Schnelle uns entgegenkam.
Es schien, als sollten wir daran wie an einer
Felsklippe zerschmettert werden. Aber noch ehe
ich den Gedanken ausdenken konnte, waren
wir mitten darin, in einem Nebel so dicht,
daß man nicht sechs Schritte' weit um sich
olicken konnte. Kein Lüftchen wehte, und unser
Ballon schien still zu stehen und nur von der
Wolke getragen zu werden. Wir hatten den
Luftstrom gekreuzt, wie ein Schiff, das in
»as stille Centrum eines Cyklone gerathen.
Der Professor, welcher recht eigentlich unser
Leben in seiner Hand trug, richtete die Frage
ain uns, ob wir die Wolke uns „von oben“
»der „von unten“ ansehen wollten. Wir vom
tarken Geschlecht waren mit unseren stillen
Erwägungen noch nicht im Reinen, als Von
oben!“ die beiden Damen wie aus einem Munde
antworteten. Unser Lenker bemerkte uns zu
uinserer Verwunderung, daß in diesem Mo⸗
nente unsere Bewegung, die uns als eine auf⸗
teigende erschien, eine absteigende sei. Er warf
um Beweise eine Papierkugel in die Luft,
ind diese blieb fast in gerader Linie an un—
erer Seite, ein Beweis, daß wir rapid sanken.
Jetzt wurden einige Sandsäcke geleert, wobei
dem Famulus des Professors die Ungeschick—
ichkeit passirte, daß ein ganzer Sack über
Bord fiel und abwärts in der Dämmerung
berschwand. Gnade dem lebenden Wesen, dem
diese Botschaft von oben auf den Schädel
gefallen! (Schluß f.)
Druck und Verlag von F. X. Demetz in St. Ingbert.