Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
um 
St. Ingberter Anzeiger. 
Nr. 44. Dienstag, den 18. Juli 
1871. 
Ein dunkles Geheimniß.“* 
Novelle 
von Ewald August König . 
fünf Schritt Avance; das Loos entscheidet, 
wer den ersten Schuß hat.“ 
Ich nehme diese Bedingungen an. Ver—⸗ 
gessen Sie nicht, Punkt sechs Uhr an der 
Finsiedelei. — Lange ruhte der Blick des 
Freiherr stier mit dem Ausdruck födtlichen 
dasses auf der Thür, hinter welcher der 
sunge Mann verschwunden war. „Alberner 
Bursche, glaubst Du, Deinetwegen werde ich 
neinen Plänen entsagen?“ murmellte er. 
„Wohlan, der Würfel ist gefallen, Du selbst 
hast die Katastrophe beschleunigt. — Mann 
Jjegen Mann, wir wollen sehen, wer die Braut 
gewinnt.“ 
(Fortsetzung.) 
Versuchen Sie's, fuhr der Verwalter fort, 
ein Mord mehr oder weniger. Ihr Gewissen 
wird er nicht sonderlich belasten. Noch einmal 
fordere ich Genugthuung; beharren Sie bei 
Ihrer Weigerung, so werde ich öffentlich mit 
der Hetzpeitsche Sie züchtigen, ich werde Sie 
verfoigen, hier und in der Residenz, bis alle 
Welt es erfahren hat, daß Sie eine feige 
Memme sind. Es mag Ihnen doppelt unan⸗— 
genehm sein, daß Ihre Kugel vorgestern Abend 
mich fehlte, mich aber freut es, daß die 
Dunkelheit mir nicht erlaubte, den Meuchel⸗ 
mörder auf's Korn zu nehmen; denn ich 
möchte unsere Rechnung geordnet sehen, bevor 
Sie dieser Welt Lebewohl sagen. „Das ist 
auch mein Wunsch,“ erwiderte der Freiherr, 
der seine Fassung wieder gefunden hane, und 
diesem Wunsche zu Gefallen will ich diesmal 
von dem Grundsätze, meinen Degen nur mit 
der Waffe eines Ebenbürtigen zu kreuzen, 
abgehen. Schicken Sie mir Ihren Secun⸗ 
danten.“ 
Siehentes Kapitel. 
Wenn auch der Verwalter keineswegs über⸗ 
‚eugt war, daß sein Gegner sich zur festge⸗ 
etzten Stunde auf dem Duellplatze einfinden 
verde, so hatte er doch für jeden möglichen 
Fall seine Vorkehrungen getroffen. Er datte 
den Doctor Sand gebeten, ihm zu sekundiren, 
ind für den Fall seines Todes der Comtesse 
zicht allein die Mittheilungen gemacht, die er 
br schuldig zu sein glaubte, sondern auch 
ihr die innersten Tiefen seines Herzens er⸗ 
chlossen. 
Es stand fest bei ihm: erschien der Frei— 
herr, so galt es eigen Kampf auf Leben und 
Tod, denn sein Haß gab dem seines Gegners 
nicht nach and nur der Tod lkonnte diesen 
Jühenden Haß befriedigen. Erschien der Frei— 
herr nicht, wie der Verwalter fast vermuthete, 
jo bewies er dadurch, daß er ein Feigling 
und nicht würdig des Adels war. Dadurch 
wurde er unmöglich in den Kreisen, in welchen 
So vieler Umstände bedarf es nicht. Ich 
werde Sie morgen früh Punkt sechs Uhr im 
Parke an der Einsiedelei erwarten und mei— 
nen Sekundanten mitbringen. „Gut, ich komme. 
Welche Waffen wählen Sie?“ 
Ich überlasse es Ihnen, dies zu bestimmen. 
„Pistolen. Fünfzehn Schritte Barriere mit