Full text: St. Ingberter Anzeiger

Tagen zwei Flaschen Wein und eine Flasche 
Champagner forderte und empfing, die er 
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht getrunken 
hat. „Die er nicht getrunken hat?“ fragte 
der Verwalter, der jetzt den Argwohn des 
Richters zu theilen schien. 
So sage ich, er gab die leeren Flaschen 
nicht zutück und die Vermuthung liegt nahe, 
daß er sie zu einem Schlaftrunk verwendel 
hat, dessen Bestimmung uns kaum noch zwei⸗ 
felhaft sein kann. J 
In diesem Augenblick wurde leise an den 
üußeren Laden des Fensters angepocht, der 
Verwalter ging hinaus uud kehrte bald darauf 
in Begleitung des Arztes zurück. 
Unser Verdacht hat sich bestätigt, sagte 
der letztere. Gleich nach Ihrer Entfernung 
bewog ich den Wirth, die Thür des Zimmers 
zu öffnen, welches der Freiherr von Braß 
bewohnt. Es kostete mir Mühe, die Bedenken 
des alten Mannes zu beseitigen, aber endlich 
gelang es mir, er holte den Hauptschlüssel 
und wir schlichen uns leise hinauf, nachdem 
wir vorher die Ueberzeugung gewonnen hatten, 
daß der Freiherr im Saale hinter der Flasche 
jaß. Wir hatten eine Blendlaterne milgenom— 
men und den Hausknecht als Posten an der 
Treppe zurückgelassen, so daß wir vor einem 
plötzlichen Ueberfall ziemlich sicher waren. Wir 
janden das Zimmer leer und der Wirth 
wollte sich schon wieder entfernen, aber ich 
bertrat ihm den Weg und bestand auf genauer 
Durchsuchung. Da fanden wir denn den 
Kutscher unter dem Sopha im tiefsten Schlaf 
und wie wir ihn auch rüttelten und schüt⸗ 
lelten, er erwachte nicht. Ein Zweifel kann 
nicht obwalten, dem Manne ist eine sehr starke 
Dosis Opium gereicht worden, er wird vor 
morgen Abend nicht zu klarem Bewußisein 
zurückkehren. Auf dem Tische fanden wir ein 
scharf geladenes Doppelpistol, Pulverhorn und 
Kugelbeutel lagen daneben, ich war so frei, 
die Kugeln aus den Läufen herauszuholen 
und statt ihrer einen starken Papierpfropfen 
hineinzuladen. Was nun auch kommen maqg, 
mit dieser Ladung wird er keinen Schaden 
anrichten. „Was er nur vorhaben mag?“ 
fragte der Verwalter überrascht und bestürzt 
zugleich. 
Das ahnen Sie nicht ? erwiderte der Rich— 
ter. Durchschauen Sie auch jetzt noch nicht 
seinen sauberen Plan? Er wiil das gnäd ige 
Fräulein entführen. „Ah, — Sie scherzen ? 
Durchaus nicht. Ich bin sogar fest über⸗ 
jeugt, daß ich mit dieser Vermuthung den 
Ragel auf den Kopf treffe. Der Arzt nickle 
gedankenvoll. „Ich theile diese Ueberzeugung,“ 
sagte er, „obschon ich nicht begreife, wie die 
Entführung bewerkstelligt werden soll. Die 
Comtesse wird ihm gutwillig nicht folgen und 
die Dienerschaft —“ 
Ist sammt und sonders verkauft, unter— 
brach der Verwalter ihn. Der Kuischer war 
der Einzige, auf dessen Treue man bauen 
durfte, der Freiherr hat ihn unschädlich zu 
machen gewußt. Und daraus geht hervor, 
daß der saubere Plan dieses lehrenwerthen 
Edelmannes noch im Laufe dieser Nacht aus— 
geführt werden soll.“ Hier unterbrach aber⸗ 
mals ein ziemlich vernehmbares Pochen die 
Unterhaltung. 
(Fortsetzung folgt.) 
Mannigfaltiges. 
Von dem General v. d. Tann erzählt 
man sich folgendes bon mot: Als der Gene— 
ral bei seinem Einzuge in Tann (unweit 
Fulda) die ihn mit Blumen begrüßenden 
jungen Damen bat, ihm voranzugehen und 
diese bescheiden zögerten, sagte er lächelnd: 
„Meine Damen, wollen Sie gleich voran! 
Bin ich doch mit der Jungfrau von Orleans 
fertig geworden, so werde ich auch mit Ihnen 
fertig werden.“ 
Kutschke's Epilog. 
Die Berliner Börsenzeitung bringt Fol⸗ 
gendes: 
„Des Kriejers That wird anerkannt, 
Un niemals bitter is sein Lohn: 
Süß ist der Dot for's Vaterland 
Un ooch sehr süß die Dotation! 
Drud and Verlag von F. X. Dewetz in St. Ingbert