Full text: St. Ingberter Anzeiger

hindern kounte, hatte er sie geleert. In der 
nächsten Minule lag er entseeltz auf dem 
Boden. 
* Er hatte sich für alle Fälle vorgesehen, 
sagte der Baron erschüttert. Wer konnte ahnen, 
daß diese feige Menme den Muth haben 
würde, sich das Leben zu nehmen. „Der 
Selbstmord ist nur eine Frucht der Feigheit.“ 
erwiderte der Richter, nicht minder bestürzt. 
„Wäre nur der Arzt hier, vielleicht —“ 
Zu?spät, unterbrach der Baron ihn. Er 
hat Blausäure genommen, schon die Hälfte 
der Dosis würde hingereicht haben, ihn augen⸗ 
blicklich zu tödten. — — — — — — 
Sechs Wochen waren nach dieser Kata⸗ 
strophe verstrichen, als die Trauung der Com⸗ 
tesse Eleonore von Strahlen mit dem Baron 
Oscar von Reden stattfand. Die Entdeckung, 
daß der Verwalter der Bruder jenes Barons 
von Reden, des ersten Verlobten der Comtesse, 
war, erregte in dem Landstädtchen kein gerin⸗ 
ges Aufsehen, sie bot den Spießbürgern aber⸗ 
mals Veranlassung, auf jenen Selbstmord 
zurückzukommen. 
Aber so sehr die ehrsamen Bürger und 
Bürgerinnen sich auch in Vermuthungen er⸗ 
gingen, gelang es ihnen doch nicht, den Schleier 
zu lüflen, der für sie noch immer jenes Ge⸗ 
heimniß umhüllte, denn sobald die Comtesse 
die Ereignisse erfuhr, lud sie alle daran Be⸗ 
theiligten ein und nahm ihnen das Verspre⸗ 
chen ab, die Asche des Freiherrn in Frieden 
zuhen zu lassen. Nur die Zeitungen in der 
Residenz brachten die Nachricht, daß der Baron 
Theodor von Reden ermordet worden sei und 
der Moͤrder desselben sich dem Arme der irdi⸗ 
schen Gerechtigkeit entzogen habe. Die Leiche 
des Barons wurde in der Familiengruft der 
Grafen von Strahlen beigesetzt und die Ein⸗ 
siedelei niedergelegt. 
Das junge Ehepaar kehrte erst nach einer 
zweijährigen Abwesenheit auf seine Güter zu⸗ 
rück, es hatte nach seiner Hochzeitsreise sich 
in der Residenz niedergelassen und nur ab und 
zu war der Baron einmal hingereist, um den 
Berwalter zu eontrolliren. 
Und als nun Eleonore an der Seite 
ihres Gatten in das Haus ihrer Väter zurück⸗ 
kehrte, bewies ihr der festliche Empfang, der 
von allen Seiten ihr zu Theil wurde, wie 
sehr sie geachtet und geliebt war. 
Rede des amerikanischen Consuls Klaup⸗ 
recht in Stuttgart bei der Fecg des ame⸗ 
rikauischen Unabhängigkeitsfestes. 
Am 4. Juli 1871. 
„Vor Einem Altar, dem der Freiheit, reichen 
Sich Völker nun die Hand, 
Und weiter, als die Lorbeer'n und die Eichen 
Dehnt sich des Deutschen Vaterland.“ 
Nur wenige Tage erst sind verflossen, daß 
in Stuttgarts Mauern ein hohes, herrliches 
Fest gefeiert wurde, das des Siegeseinzuges 
der württemberg. Truppen bei ihrer Heimkehr 
aus Frankreich, und heute vereinigt uns hier 
wiederum das größte nationale Fesi Amerikas. 
Aber so getrennt durch den Raum des Oce⸗ 
ans uud den Zeitlauf eines Jahrhunderts beide 
Feste auf den ersten Blick erscheinen mögen, 
so viele Fäden hat die Geschichte zu einer 
recht innigen Verbindung beider geschlungen: 
Amerikanische Bürger von Geburt und durch 
Adoption sind es, die heute sich zusammenge⸗ 
junden haben, um das Wiegenfest der ameri— 
kanischen Republik zu feiern, zu deren Grün— 
dung deutsche Tapferkeit das Ihrige ruhm⸗ 
würdig beigetragen. Auch die dreizehn Kolo— 
nien Amerila's besaßen nur ein paar 
Jahrzehnte vor dem glorreichen 4. Juli den⸗ 
jselben unruhigen, ländergierigen Nachbar wie 
Deutschland, und der siegreiche Feldzug gegen 
ihn ward die Grundlage zu Amerika's Ein—⸗ 
heit und Unabhängigkeit. 
Des Marschall von Sachsen Schwert hatte 
Frankreich sast den ganzen heutigen Umfang 
der Vereinigten Staaten überliefert, den 
schmalen Küstenstrich des Alleghanyhanges 
ausgenommen, dessen Flüsse sich in den atlan⸗ 
tischen Ocean ergießen. 
Hier in dem weiten Seegebiete des Nord⸗ 
vestens, im Ohio⸗ und Mississippithale, waren 
von Frankreich die seudalen Staatseinrichtungen 
eingeführt worden, die in der alten Welt be⸗ 
reits dem Einsturze nahe waren. Hierhin 
hatte es seine Priester und Soldaten, seine 
Vasallen und Kronbauern übergesiedelt, wovon 
die. Wenigsten lesen und schreiben konnten. 
Jedwede Industrie, der Weinbau selbst, war 
verboten, denn die Kolonie war nur da, um