Full text: St. Ingberter Anzeiger

kaufmännische Talent seines Bruders nicht gern 
im Geschäft entbehren mochte, hielt sich an 
dem Buchstaben des Kontrattis, erst als Karl 
immer dringender wurde, als er endlich drohte, 
das Geschäft zu untergraben, wenn seinem 
Verlangen richt Folge geleistet werde, gab 
Jakob nach, unter der Bedingung, daß der 
Bruder sein Kapital dem Geschäft gegen ge⸗ 
nügende Sicherheit überlassen müsse. Mein 
Hherr — ich nenne ihn so am liebsten — 
ging auf die Bedingung ein; sein Weib war 
zwei Jahre früher, nachdem sie einem Sohne 
das Leben geschenkt hatte, gestorben. Er war 
mit sich, mit Allem zeifallen und hoffte, drü⸗ 
ven in Amerika den Frieden wiederzufinden. — 
Fortsetzung folgt.) 
Der Mänzsammler. 
(Staatsbztg.) V 
Eine Novelle. 
— EEEEEEEEIEI 
(Fortsetzung:) 
„Für mich wäre demnach also vorläufig 
gesorgt. — Was wird aber mit Dir ?“ 
„Min mir? — Freund, ich vergrabe mich 
auf meinen Gütern unter Rüben und Kohl⸗ 
blättern, um so wenig wie möglich von dem 
Puppenspiel da draußen zu hören.“ 
„Allein, ohne eine Baronin v. Roda?“ 
warf der Assessor lächelnd ein, um den Freund 
aufzuheitern; dieser schwieg einige Minuten, 
dann antwortete er: 
„Ich glaube — da Du heut so schicksal⸗ 
entscheidende Fragen an mich richtest, so muß 
ich Dir auch ein Stück aus meinem Liebes⸗ 
leben mittheilen, eine Episode aus meinem 
Leben, und Du sollst sehen, daß wenig Aus⸗ 
sicht für mich auch nach dieser Seite hin zu 
hoffen ist. — Komm, hier ist eine gute Re⸗ 
stauration; ich kenne sie noch aus meiner 
Studentenzeit; beim Glase Hochheimer sollst 
Du alles vernehmen.“ 
In dem Augenblick, als beide Männer um 
die Ecke bogen, um nach der angedeuteten Re⸗ 
stauration zu kommen, ging langfam eine junge 
Dame über die Straße, ein Wagen kam ihr 
nach und hätte sie unfehlbar übergefahren, da 
weder der nachlässige Katscher auf sie achtete, 
noch sie selbst das Rasseln der Räder vernahm, 
wäre der Baron nicht schnell hinzugestürzt, 
hätle sie nicht an die Hand geiaßt und mit 
sich fortgezogen. 
Das alles war das Werk einiger Secun⸗ 
den. Die Dame jschien von dem ganzen Vor—⸗ 
zang wie betäubt; erst als der Baron ihre 
dand frei ließ und nach dem Wagen mit 
stummet Geberde hinwies, begann sie zu zit⸗ 
ern, und begriff nun, welcher Gefahr sie ent⸗ 
zangen. Dann sah sie ihn mit feuchten Blicken 
ain und flüsterte: 
„Ich danke Ihnen, mein Herr, und werde 
Ihnen diesen Dienst nie vergessen!“! 
Hierauf verbeugte sie sich mit dem Anstand 
einer feingebildeten Dame, zog ihren Schleier 
dichter vors Gesicht und ging mit so eiligen 
Schritten davon, als fürchte sie eine neue 
Gefahr. 
Sie war schon lange um die Ecke der 
aächsten Straße, als der Baron noch immer 
tand und nach der Richtung blickte, wo sie 
verschwunden. Der Assessor berührte seine 
Schulter. 
„Ei, ei, mein Freund, hat Dich diese 
Fee denn plötzlich zu Stein verwandelt ? Du 
ttehst ja wie gebannt, und scheinst noch be⸗ 
jaubert zu sein von dem Staub, den ihre 
Robe auf dem ungesprengten Straßenpflaster 
in großen Wolken zurückgelassen hat.“ 
„Ja, sie war sehr schön!“ unterbrach ihn 
der Baron sinnend. „Aber das war es nicht 
allein, was diesen Eindruck auf mich machte, 
In ihren bleichen Zügen lag ein Schmerz, 
ein unnennbares Etwas.“ — 
„Wie, und Du willst es schower finden, 
mit einer Varonin v. Roda in einem freiwil⸗ 
ligen Exil zu leben? Ha, diesmal bist Du 
gefangen. Doch hier ist die Restauration, hinein, 
sonst kommt eine zweite Fee!“ rief der As⸗ 
jessor lachend, den stummen Baron fort⸗ 
ziehend. 
Dort sprachen Beide dem Frühstück tapfer 
zu; als das geschehen, zündeten sie Cigarren 
an, der Assessor füllte die Gläser auf's neue 
und begann: I 
„Jetzt, mein lieber Alexander, eriunere 
Dich Deines Versprechens. Du wollteft mir 
eine Leidens und Herzensgeschichte erzählen ? 
„Du sollst sie auch hören, aber sie ist