„Und wie nahm Deine Mutler diese, für
fe doch unerwartete Auflösung der Verlobung
auf 7“ fragte Felix.
„Mit Entrüstung und in eigenthümlicher
Weise,“ entgegnete der Baron. ‚Mit einem
Worte, sie war empött, aber nicht über
Mauds Untreue, nein, über mich, der ein
Téôte-a-Tôte zwischen Cousin und Coufine so
ernst genommen, wodurch ich leicht einen öf
fentlichen Eclat hätte herbeiführen können. Ich ließ
den Sturm über mich ergehen, und fie mußte
sich endlich beruhigen; aber ich glaube mich
nicht zu täuschen, wenn ich meine Mutter in
Verdacht habe, sie habe noch lange Zeit mit
Mauds Onkel cotrespondirt, zu welchem Zweck
ist mir freilich unbekannt; aber ich weiß, daß
Beide sich schwer darein gefunden haben,
mich und Maud nicht als Mann und Frau
zu wissen.“
Felix blies nachdenlend den Rauch aus
seiner Cigarre, der Baron fuhr, ihn beobach⸗
tend, fort:
„Worüber Du jetzt nachdenlst, errathe ich.
Du tadelst innerlich meine Handlungsweise ge⸗
gen Maud und ihren Geliebten; ich war
da großmüthig, wo ich hätte Richter sein
soönnen. Mein kieber Felix, zu strafen fühlte
sch mich nicht veranlaßt; denn Maud ließ
keine Lücke in meinem Herzen. Ich empfand
keinen Verlust durch die Trennung von ihr.
Im Gegentheil; erst als ich frei war, athmete
—X ——
defreit, auf. Warum sollte ich nicht dank⸗
bar sein ?
Ich kann und will auch heut noch der
Wahrheit getreu bleiben. Maud war schön,
und ihre Erscheinung hatte mich angezogen
und geblendet; aber als ich mich mit ihr
berlobie, empfand ich schon nach Tagen den
Fehlgriff meiner Wahl; ich fühlte, daß sie
nicht das Wesen war, welches meine Seele
so sympathisch anwehte, daß fich mein Fühlen
und Denken mit dem ihrigen hätte verschmel⸗
zen können. Wenn ich das sage, mußt Du
aber nicht auf die Vermuthung kommen, sie
sei fühllos gewesen. O nein, fie war von
iußerster Gumülthigkeit; ihre Augen konnten
in Thränen schwimmen, wenn sie Jemand
leiden sah. Ich war Zeuge, als sie eines Ta⸗
zes einen goldnen Reif von ihrem Arm nahm
und dem Bettler am Wege geben wollte, der
ie um eine Gabe anflehte; meine Dazwischer⸗
iunft verhinderte es nur.
„Solche Gefühlsmomente hatte sie schon,
venn sie auch blitzschnell vorüber gingen;
zoch jedes höhere Verständniß, durch das ein
Weib dem Manne erst alles werden kann,
var ihr eine entrückte Welt; dafür hatte sie
einen Sinn. Dagegen kannte sie die Formen
der Gesellschaft bis ins kleinste, und am sfü⸗
zesten war ihr Lächeln, wenn sie eine befrie—
igende Toilette vor dem Spiegel musterte.
Fast möchte ich den armen Sir Arthur be⸗
nitleiden, der, um eine solche Frau sein zu
iennen, die Epauletten mit dem Pflug ein⸗
vechseln mußte.“
„Bedauecrn! warum nicht gar!“ fiel Fe—
lix ein. „Du sagtest doch selbst, er liebt die
schöne Maud ?“
„Er liebt sie, wie ein verliebter Knabe
ein schönes Mädchen liebt, und ebenso sie
ihn. Aber der Ernst des Lebens macht andere
Unsprüche als die der Schwärmerei. Maud
ist für den Salon und nicht für den Herd
eines Landmannes geschaffen.“
„Wer weiß, ob sie sich darin nicht präch⸗
tig findet! Du trägst die Farben zu stark
auf, das finde ich schon heraus. Du machst
zu große Anforderungen an ein Weib. Für
Dich sollen sie gleich alle Engel sein. —
Nein, die Erziehung des Mannes muß sie
erst dazu machen,“ entgegnete Felix. „Du
znatomisirst die Fehler der armen kleinen We⸗
en zu sehr.“
„Das mag sein, aber zu Mauds Erzieher
war ich nicht geschaffen. Hätte ich fie gehei⸗
rathet, so würde ich der unglücklichste Mann
zeworden sein.“
„Und ich vielleicht der glücklichste !“ ent⸗
gegnete Felix lachend. „O wie würde ich mir
meine englische Schönheit gezogen haben. In
einem halben Jahre hätiest Du Maud für
die Arone der Frauen erklärt.“
(GFortsetzung folgt.)
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Drud und Verlag von F. X. Dernaetz in St. Ingbert.