Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
e eeeu * 
vum * 
St. Ingberter Anzeiger.“ 
Fr 8. Diienstasg, den 8. v 
* 
28 
—— 
— ⏑⏑ 
Ein böses Gewissen.* 
Novellle 
von Ewald August König. 
„So wußtet Ihr allein, daß er sich nach 
Furopa eingeschifft hatte ?“ P 
„Einschiffen wollte,“ verbesserte Schulz. 
„Der Tag seiner Abreise war noch nicht fejt⸗ 
gestellt, ich vermuthete aber gleich, daß er mich 
überraschen würde. Es war so seine Art. 
„Man hat bei dem Todten nichts gefun⸗ 
den, weder Geld noch Papiere; vermuthet Ihr, 
po dieselben geblieben sind ?“ — 
Der Ackerer richtete sich plötzlich auf. 
„Glauben Sie,“ erwiderte er, und der 
Ton seiner Stimme klang streng, fast heftig, 
„glauben Sie, wenn ich dies wüßte, würde 
ch geschwiegen haben ? 
Der Trotz klingt schlecht in Eurem 
Munde,“ versetzte der Richter erbittert, „ant⸗ 
portet auf meine Fragen kurz und bündig mit 
„ja“ oder „nein,“ alle Nebenbemerkungen 
önnt Ihr sparen. Wie kam es, daß Ihr 
Euch so früh schon auf dem Schauplatz des 
Verbrechens befandet, noch ehe der Bürger 
meister dort eintraf ?“ 
„Ich denke, die Frage kann jedes Kind 
beantworten,“ entgegnete Schulz;« „erstens 
wohne ich dicht am Ausgange des Dorfes, 
zweitens wurde ich durch den Schneider zuerst 
—XRVV 
Der Schneider behauptet, Ihr seiet schon 
beim ersten Pochen am Fenster erschienen, isl 
dem also ?“ *5 
„Allerd ings, er machte ja einen Lärm, 
daß man hätte glanben sollen, der jüngste Tag 
angebrochen.“ 
„Wo habt Ihr den Abend zugebracht ?“ 
Der Ackerer sah überrascht den Fragenden 
in's Auge. Eine Binde fiel ihm von den 
— 
Der Instruktionsrichter; ließ jetzt den 
Ackerer vorführen. Schulz, der nicht im Ent⸗ 
ferntesten ahnte, welch drohende Wolken über 
seinem Haupte sich zusammenzogen, trat mit 
festen Schritten ein, er sah dem Richter ernst 
und ruhig ins Antlitz und beantwortete jede 
Frage so rasch und sicher, daß selbst der ge⸗ 
übteste Kriminalist keinen Argwohn hätte schöp⸗ 
fen können. Ein anderes aber war es mit 
den Beiden, welchen der Ackerer gegenüber⸗ 
stand, sie hatten von vornherein Verdacht ge⸗ 
faßßt und hielten um so zäher an demselben 
fest, je mehr das ruhige, sichere Benehmen des 
Mannes ihn zu entkräften drohte. 
„Hatte Karl Krämer Freunde oder Be— 
kannte hier, denen er vielleicht seine Rücklehr 
mittheilen konnte?“ fragte der Instruktions⸗ 
richter am Schlusse seines Berhörss. 
„Nein,“ entgegnete Schulz, „so viel ich 
weiß, verkehrte er mit Niemandem. 
„Glaubt Ihr, daß er seinem Bruder die 
Anzeige gemacht habe ? 
„Ihm am wenigsten; in all seinen Vrie— 
fen, welche er mir von drüben geschrieben hat, 
erwähnt er seinen Bruder nur dann, wenn er 
sich in Vorwürfen und Klagen über ihn er⸗ 
geht. An eine Aussöhnung der Beiden war 
nicht zu denken, sie haßkten einander zu 
sehr.“