Full text: St. Ingberter Anzeiger

nauf der Straße befanden, warf er diese, un⸗ 
geachtet der Gegenwehr des Barons, in den 
nächsten Briefkasten. 
Als die Freunde den verabredete Spazier⸗ 
gang gemacht hatten und, nach Bestimmung 
des Barons, in dessen Holel zurückkehrten, 
fand dieser wirklich einen Brief seiner Mutter 
vpor, der ihn aber, als er ihn las, so ver⸗ 
stimmte, daß selbst die witzigen Einfälle des 
lustigen Freundes nicht im Stande waren, die 
Wolken von seiner Stirn zu verscheuchen. 
„Da!“ rief er diesem zu und reichte ihm 
den Brief; „lies und sage mir, ob Du den 
Inhalt verstehst. — Ich finde nur heraus, 
daß meine Mutter eine neue Spekulation mit 
meiner Freiheit vorhat.“ 
„Du Aermster!“ entgegnete Felix; „doch 
laß sehen.“ Er nahm den Brief und las mit 
lauter Stimme: 
Mein lieber Alexander! 
„Durch einen freudigen Zufall ist meine 
Abreise ganz unbestimmt geworden. Du wirst 
Dich wundern und freuen, welche lieben Freunde 
gewillt sind, eine Zeit lang bei uns zu leben. 
Aber was plaudere ich da? — Es soll ja 
für Dich eine köstliche Ueberraschung werden. 
Ich sage Dir, gib Deinen beharrlichen Eigen⸗ 
inn auf und komme nach Baden; Du hast 
gar keine Ahnung, welche Herzen sehnsüchtig 
Deiner harren. — Zwei Lippen fragen be— 
ständig nach Dir, wie es Dir gehl, was Du 
machst, und wie Du über die Frauen denkst; 
ich kann von Dir gar nicht genug erzählen; 
meine kleine Zuhörerin ist unersättlich in 
Fragen — — 
„Alexander, ändere Deinen Entschluß und 
komme zu Deiner Mutter — nach —“ 
„Hör auf! hör auf!“ rief der Baron; 
„ich kann nichts weiter hören! Der kurze 
Sinn des seitenlangen Briefes ist: meine 
Mutter hat wieder die alte Passion, mich zu 
verheirathen. Und dazu soll ich noch nach Ba⸗ 
den kommen? — Nimmermehr!“ 
Aber wer mag die Erwählte nur sein, 
die Dich, nach den Reden Deiner guten 
Mutter, bereits in ihr kleines Herz einge⸗ 
schlossen hat! Hast Du gar keine Vermuthung? 
fragte Felir, indem er den Brief der Baro⸗ 
nin auf den Tisch legte, und sich neben den 
finstern Freund setzt⸗. 
yNicht die geringste,“ entgegnete der Ba⸗ 
ron.“„Das kümmert mich auch gar nicht. 
Gewiß ist es eine Comtesse Joder die Enkelin 
einer Fürstin, deren Augen ohne mein Ver— 
schulden irgendwo geruthen, mich anzusehen; 
denn mit bürgerlichem Blute geht meine sonst 
herzensgute aber streng aristokratische Mutter 
nicht um. Das jst mir auch Nebensache. Meine 
Frau wird die Dame ebensowenig, wie es 
Maud geworden ist. Auch gehe ich nicht nach 
Baden; aber daß meine Mutter diese ganze 
Gesellschaft schon auf's Gut eingeladen hat, 
das verleidet mir jetzt auch die Rückkehr nach 
der Heimath, auf die ich mich eigentlich ge⸗ 
freut habe, da ich dort ein Stillleben zu 
führen gedachte. Um dieser unerquicklichen Ge— 
sellschaft nun zu entgehen, werde ich mich 
wieder noch lange in der Fremde umhertreiben 
müssen.“ 
HOO über diesen Sonderling! Das Glück 
der Liebe überschüttet ihn mit seinem Füllhorn, 
und der Undankhbare flieht vor ihm. — Doch 
Scherz im Ernst! Deine schönen Besizungen, 
die der Aufsicht ihres Herrn bedürfen, sollen 
nicht vereinsamt bleiben. — Wie wäre es, 
wenn ich, als Dein Abgesandter, nach Baden 
ginge und die Geschichte zu arrangiren suchte, 
mit Deiner Mutter unterhandelte?“ fragte Felix, 
listig den Freund ansehend. 
Des Barons Augen blitzten, im Myment 
erhellte sich seine Stirn. 
„Felix, Freund, das ist ein herrlicher Ge⸗ 
danke! Meine Mutter kennt Dich, hat Dich 
sehr gern, — und so bliebe nur die Frage, 
wie Du die von ihr bereits gethane Einladung 
abwendest ?* 
(Fortsetzung folgt 
Charade. 
Die Erste macht selbst Helden heiß, 
Die Zweite lohnt des Menschen Fleiß, 
Und auch dem Ganzen sindest Du 
Manch wackeres Haupt in Todesruh. 
Auflösung des Doppel-Palindroms in Nr. 88 des 
Unterhaltungsblattes: Grab — barg; 
Sarg — Gras. 
Druck und Verlag von F. XR. Demez in St. Ingbert.