Full text: St. Ingberter Anzeiger

diesen Weg so oft zu wiederholen, bis es dem 
gnädigen Heren gefalle, ihn vorzulassen.“ 
Sein Name?“ fragte der Rentner. 
Bürgermeister Wetterau.“ * 
„Wetterau? Der Name ist mir unbekannt, 
— er mag eintreten.“ 
Der alie Herr warf rasch die Papiere, in 
welchen er kurz zuvor gelesen hatte, in eine 
Schieblade, verschloß diese sorgfältig und nahm 
ein Buch vom Büchertische, indem er sich den 
Anschein zu geben suchte, als sei-er in die 
Lektüre desselben vertieft. Als der Vürger⸗ 
meister, dessen Bekanntschaft wir bereits im 
porigen Kapitel gemacht haben, eintrat, warf 
er einen forschenden Blick auf das Antlitz des 
Rentners und nahm dann auf dem ihm an— 
gebotenen Sessel Platz. — 
Fortsetzung folgt, 
— — — 
Der Münzsammler. 
(Staatsbztg.) 
Eine Novelle. 
(Fortsetzungh. 
„Freund, laß mich nur machen,“ sagte 
Felix zu dem Baron; das nehme ich juristisch 
in die Hand. Nöthigenfalls, wenn es kein 
andres Mittel gibt, mache ich die kleine Com⸗ 
lesse in mich verliebt und liebe sie, aus reiner 
Theilnahme für Dein Wohl, recht herzlich 
wieder. Das Ende bleibe dann der Zukunft 
vorbehalten.“ 
„Felix, Dein Vorschlag ist vortrefflich; 
Du wälzest eine Last von meiner Brust. Ja, 
geh nach Baden. — Was Du dort thust, 
vie Du Dein Vorhaben ausführst, will ich 
gar nicht erfahren; genug, daß ich weiß, Du 
wirst für mich handeln!“ rief der Baron, 
stand auf und ging im Zimmer auf und 
nieder. 
„Aber,“ fuhr er fort und blieb vor dem 
Freunde stehen, „hier bleibt eine Capitalfrage: 
wann kannst Du reisen?“ 
Bekomme ich Urlaub, in spätestens drei 
Tagen.“ 
Der Baron stand sinnend. „Das Ganze 
ist gut, aber ich soll so lange ahne Dich hier 
bleiben in dieser für mich so unangenehmen 
Residenz der blitzenden Bayonnete, wo der 
dritte Mensch, der auf der Straße geht, den 
Soldatenrock trägt ?“ 
„Ja, Alexander, dieses kleine Uebel mußt 
Du um der großen Sache willen schon zu 
überwinden suchen. Ich schicke Dir bald Nach- 
richt. Inzwischen suwe Dein altes Steckenpferd 
dor, beschäftige Dich mit alten Mürzen und 
ilten Münzsammlern. Das Herz eines Mäd— 
hens kann ich Dir möglicherweise abwendig 
nachen, aber unsre Armeen nicht der Uai⸗ 
iormen entkleiden. 
Der Baron lachte und dem lustigen Felix 
zelang es, die Stimmung des Freundes immer 
mehr zu erheitern. Beide brachten den Tag 
'n angenehmer Weise zu. 
„Ich zögere, und doch vermag ich diesen 
Zustand nicht laänger zu ertragen; er muß 
enden, wenn ich nicht wahnsinnig werden soll!“ 
So verzweifelt sprechend, schob eine junge 
Dame den Sessel mit hastiger Geberde zurück, 
auf dem sie vor einem kostbaren, aber altmo 
dischen Schreibtisch gesessen, und auf dem 
eine Menge versiegelte Briefe lag. Mit hasti⸗ 
gen Schritten durchmaß sie das Zimmer, bit 
sie dann wieder vor dem Schreibtisch stehen 
bplieb und ihre Augen auf die Bricfe richtete. 
„Welche Bedenken steigen jetzt in mir,“ 
begann sie wieder, „jetzt, wo ich am Ziele 
din und nur diese Briese zu erbrechen brauche. 
Und meine Hand zögert noch immer, wagt 
zicht, sich nach dem todten Papier auszu— 
trecken; aber leichtsinnig und unbesonnen konnte 
te sich vor dem Attar in die eines kalten 
Mannes legen; einem Manne ihre Freiheit 
geben, der ausgestopfte Vögel, leblose Steine 
uind alte Münzen wie Schätze hütet, während 
sein Weib einsam und ungeliebt neben ihm 
tteht. Und mich aus dieser Qual zu befreien, 
zögere ich? — Diese Briefe,“ sie hob einen 
auf, „liegen vor mir wie Schichsalsnormen. 
O, wenn sie enthielten, was ich ersehne, dann 
will ich ja duldend entsagen und mein liebe⸗ 
leeres Leben weiter tragen!“ 
Entschlossen wollte sie den Brief erbrechen, 
als schwere, von der Treppe kommende Tritte 
sie aufschreckten. Schnell verbarg fie alle Briefe 
in ein Fach und eilte zur Thür, öffnete sie, 
und es trat ein ältlicher Mann ins Zimmer, 
dessen ganze Erscheinung den Eindruck eines