Full text: St. Ingberter Anzeiger

Zeilen so abgefaßi, daß nur sie und er davon 
Verständniß haben konnten. Damit sie ihn 
aber auch ganz verstehe, hatte er einzelne Worte 
aus ihrem eigenen Schreiben entnommen. Die 
Aufforderung war so zart, so rücksichtsvoll, 
daß sie, wie er hoffte, den gewünschten Ein⸗ 
druck nicht verfehlen konnte. 
Aber Tage gingen vorüber, und sein Briej 
den er auf die Post gegeben, wurde nicht ab⸗ 
geholt, und auch seine verschleierte Unbekannte 
sah er nicht wieder. 
Jetzt fing er an, den Freund zu vermifsen; 
wohin er auch ging, überall fühlte er sich ge⸗ 
langweilt, denn einen zweiten Freund und 
Gesinnungsgenossen, wie Felix war, hatte er 
nicht. 
Nach einer Woche empfing er von Felix 
die erste Nachricht; aber diese schien ihm trotz 
aller Lustigkeit, die hindurchblickte, eben so 
zweideutig zu sein wie der Brief seiner Muͤtter 
gewesen war. Auch der Freund schrieb, er 
würde sich wundern, welche Begegnung 
seiner harre. Aber es gehe alles recht gut. 
Die Frau Baroninn v. Roda sei zwar in 
manchen Augenblicken gewillt, mit höchst eignen 
Händen ihm vor Aerger, daß er ein gewisses 
kleines Herz dem Sohne abwendig mache, in 
die Haare zu fahren, aber er bleibe geduldig 
das Opferlamm; denn es geschehe ja alles 
aus Liebe zum Freunde und des reizenden 
Wesens, das täglich in seinen Augen reizender 
werde, und ihn so ganz in ihren Kreis banne, 
daß er diesmal den einsamen Freund in Berlin 
lassen müsse und gehen, wohin die Sirene 
wolle, und zwar weiter den Rhein herauf. Der 
Brief schloß mit Goethe's Fischerlied: 
„Halb zog sie ihn, halb sank er hin 
Und ward nicht mehr gesehn —“ 
Unzufrieden mit dem Freunde, mit sich und 
der ganzen Welt, suchte der Baron endlich 
seinen Gedanken eine andre Richtung zu geben 
und beschloß an einem Nachmittag, den Münz⸗ 
sammler Willrich aufzusuchen, der ihn inzwischen 
schon zweimal brieflich an seinen ihm ver⸗ 
sprochenen Besuch höflich erinnert hatte. 
Fortsetzung folgt.) 
Mannigfaltiges. 
(Enthaltsame Affen.) Wie die „Pall Mall 
Gazette“ nach einem Briefe aus Darfur in 
Afrika mittheilt, haben die Affen der dortigen 
Gegend ein bedeutendes Faible für eine Art 
Bier, welches die Eingeborenen brauen, um 
ihre Stammesverwandten der untersten Stufe 
zu fangen. Sie stellen das Bier in Kübeln 
an leicht zugängliche Orte, warten, bis die 
Affen des Guten zu viel gethan haben und 
nicht mehr im Stande sind, den Unterschied 
zwischen ihren Schädelbau und dem des Men⸗ 
schen zu unterscheiden. Dann nimmt der 
Leger einen der Affen an dec Hand, und die 
anderen — durch den Geist Gambrini 
anhänglich geworden — klammern sich einer 
an den andern an, so daß man oft sehen 
kann, wie ein einziger Neger eine ganze Kette 
raumeliger Affen heimführt. Zu Hause legt er 
hnen Einzelhaft auf, gibt ihnen das Bier 
in immer geringeren Quantitäten, damit ihnen 
die Schuppen allmählich von den Augen fallen, 
und söhnt sie so nach und nach mit ihrer 
Sinnestäuschung aus. 
(GGismarcks Talismanist ent— 
deckt.) Die „Grenzboten“ bringen Mit⸗ 
theilungen aus einer in Dänemark verbreiteten 
Broschüre über Bismarck. Darnach beruvht 
seine Kraft einzig und allein auf der Anwen⸗ 
dung eines geheimnißvollen indischen Instru⸗ 
ments, welches ihm auf jede Frage über die 
Zukunft und die Wege, die er zu seinen Zie—⸗ 
len einzuschlagen habe, sichere Auskunft gibt. 
Ein alter Kammerdiener des Fürsten hat 
dem englischen Verfasser der Broschüre ver⸗ 
rathen, wie der Fürst zu dem Instrumente 
gekommen sei. Bismarck, meint der Verfasser, 
sei nicht der Mann, für den man ihn 
halte, denn er habe nicht den Muth zu han⸗ 
deln, bevor er sein indisches Instrument be⸗ 
fragt habe. 
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Druct und Verlag von F. X. Demetz in St. Ingbert.