Full text: St. Ingberter Anzeiger

AUnterhaltungsblatt 
zum 
St. Ingberter Anzeiger. 
— 
Ein böses Gewissen.* 
Novelle 
von Ewald August König. 
Mathildens geweckt wurde. So ungelegen auch 
dem Rentner diese Störung kam, sein Kind 
wollte er das nicht fühlen lassen. Dem unbe⸗ 
fangenen Blick Mathildens entging die düstere 
Wolke nicht, welche auf der Stirn des Vaters 
agerte, die Ursache derselben Geschäftsunan— 
nehmlichkeiten zuschreibend, ging sie leicht dar⸗ 
iber hinweg, sie wußte ja, daß unbedeutende 
dleinigkeiten die Laune des alten Mannes 
rüben konnten. 
„Ich habe eine Bitte an Dich,““ sagte 
sie, als sie dem Vater gegenüber im Lehnstuhl 
saß, und ihre Stimme klang so süß und ein—⸗ 
chmeichelnd, daß der Rentner in seinem 
derzen schon jetzt die Erfüllung der Bitte 
susagte, wenn sie nicht mit gar zu großen 
Opfern für ihn verbunden war. 
„So !aß hören,“ ermiderte er, „Du weiß! 
a, daß ich Deine Wünsche steis erfülle, wenn 
dies in meiner Möglichkeit liegt. Nur mit 
Deinen Bitten um Almosen verschone mich, 
Du kernst meine Ansicht über diesen Punkt“ 
„Sei unbesorgt,“ fiel Mathilde lächelnd 
hm in's Wort, „wenn ich auch sehr oft mit 
neinem Taschengelde zur Unterstützung dieses 
oder jenes Hülfsbedürftigen nicht ausreiche, 
io bitte ich Dich darum doch nicht um einen 
Zuschuß, weil ich weiß, daß Du ibhn mir ver⸗ 
weigern würdest.“ 
„Und das d allem Recht,“ entgegnete 
der alte Herr kalt, „die Bettler führen durch⸗ 
chnittlich das resn Leben; was die Mildher⸗ 
igkeit Anderer ihnen gibt, verjubeln sie in 
Branntwein und theuren Speisen, aber kom⸗ 
men wir auf Deine Bitte zurück 
„Erlaube, daß ich etwas weit“aushole, 
— — 
(Fortsetzung.) 
„Du wirst noch heute Abend zurücklehren,“ 
nahm der alte Herr wieder das Wort, nach⸗ 
dem er dem Buchhalter eine Banknote zur 
Destreitung der Reisekosten überreicht hatte. 
„Kannst Du das Dokument nicht durch List 
erlangen, so versuche es durch Bestechung; der 
dlang des Geldes hat schon Manchen zu einer 
Thorheit verleitet.“ 
„Wie hoch darf ich gehen ?“ fragte Helldau 
ruhig. 
zBis zu zweitausend Thaler,“ fuhr der 
Rentner fort, „wohlverstanden: „bis,“ kannst 
Du es billiger erhalten, so —“ 
„Wäre ich ein Narr, wenn ich mehr 
zäbe,“ fiel der Buchhalter seinem Herrn in's 
Wort. „Habe ich von irgend einer Seite An⸗ 
feindung zu befürchten ? 
„Ja, von Seiten des Bürgermeisters. Er 
wird eberfalls sich um den Besitz dieses Pa⸗ 
piers bemühen, deshalb sei auf Deiner Hut!“ 
Der Alte nickte und ging hinaus, um un⸗ 
—V 
„Und nun, Glück, bleibe mir treu!“ mur⸗ 
nelte Krämer, während er durch's Fenster 
dem alten Manne, der eiligst davonschritt, 
nachschaute. „Nur diese Gunst erzeige mir noch, 
sie ist die letzte, um welche ich Dich bitte.“ 
— Er versank nach diesen Worten in tiefes 
Sinnen, aus welchem er durch die Stimme