sie und schlug die Augen nieder, währrnd eine
leichte Röthe ihre Wangen färbte.
„Sie erkennen mich wieder ?“
„Sollte ich den Retter meines Lebens so
schnell vergessen haben?“ entgegnete sie, ohne
das Auge zu erheben.
„O nichts davon, mein Fräulein,“ fiel er
hastig ein. „Aber welch ein glücdlicher Zufall!
Ich suchte Ihren Herrn Vater und finde in
seiner Tochter jene Dame wieder, die durch
einen einzigen Blick ihrer schönen Augen sich
mir unvergeßlich machte. Wenn Sie wüßten,
mit welchen Gefühlen ich Sie suchte, wie
sehnsüchtig —“
„Mein Herr! Nicht weiter in diesem Tone,“
unterbrach sie ihn. „Sie verwechseln Personen.
Sie wollten meinen Vater spreche? — O
lebte dieser noch!“ —
„Wie, bin ich nicht in dem Hause des
Herrn Willrich. Sie sind nicht dessen Toch⸗
ler ?“ —
Ob sie glücklich mit dieser Mumie von
Mann ist? dachte er und seine Augen wand⸗
ten sich ihr wieder zu und suchten die Ant—
wort auf ihrem Gesicht zu lesen, doch sie
blickte nicht aff. Für die Dauer wurde ihm
diese Stille peinlich; ein Buch lag auf dem
Tisch; sie mußte darin gelesen haben, es war
zur Hälfte mit einem Zeichen versehen, und
hier schien ihm Gelegenheit, nach der Lecture
hren Charakter zu beurtheilen. Er nahm das
Buch, schlug es auf und sah nach dem Titel.
Es war die belannte Novelle von Wilhelm
dauff: „Die Bettlerin vom Pont des Arts.“
Das frappirte ihn.
Ich bemerte da ein Buch auf-ihrem Tisch,
anädige Frau, das man sonst bei den Damen
nicht mehr findet.“
Leonie lächelte wieder, als sie, ohne die
Augen dem Baron zuzuwenden, entgegnete:
„Ich glaub's; die Novelle ist alt, doch
sie bleibt Denen neu, deren Schicksal dem
der Heldin ähnlich ist.“
Betroffen sah sie der Baron an. „Und
wenn ich's deuten darf, gnädige Frau, so ist
es Josephens Schicksal, das Sie am meisten
nteressirt ?
„Ja,“ hauchte sie und jeßt blickte sie
von ihrer Arbeit auf und fuhr warm und be⸗
wegt for:
Josephens Schicksal zieht mich an. Sie
litt unter dem Drucke einer unglücklichen Ehe
mit einem rohen und ungebildeten Manne.
Weiche Seligkeit mußte sie empfinden, als
zurch den Geliebten ihrer Jugend diese Kette
Jelös't ward und sie ihm als sein Weib fol⸗
Jen konnte. O, daß solch eine glückliche Lösung
des menschlichen Geschickes nur in Romanen
zu finden ist!“
(Fortsetzung folgt.)
„Sie sind in seinem Hause, und ich —
ich bin — seine Ftau! — —“ „Willrich's
Frau! Sie!“ rief er entsetzt.
„Seine Frau bin ich!“ wiederholte sie,
aber jetzt schon streng, kalt und ohne Verle⸗
genheit. In diesem Tone fuhr sie auch fort:
Nehmen Sie Platz, mein Mann muß jeden
Augenblick koumen.“
Der Schreck des Barons war so gewalt⸗
sam gewesen, daß er nicht so leicht Herr seiner
Bestürzung werden und nichts erwidern konnte.
— Sie sollte Willrich's Frau sein, Willrich's⸗—*
dieses Mannes, dessen hagere matte Gestalt
wohl für einen Münzsammler poßte, doch
nimmermehr für den Gatten dieser bildschönen
Frau. — Unmöglich, ihn äffte ein Traum! —
Stumm nahm er den von ihr angewiese⸗
nen Platz ein, und unwillkührlich musterte er
das Zimmer, in dem sich beide befanden.
Als Kenner antiquer Sachen wußte er
wohl jedes einzelne Möbel zu würdigen, das
er sah; es war kostbar, aber gehörte nicht
in das Wohngemach dieser jungen und, wie
ihm schien, sehr zur Schwermuth geneigten
Frau, die jetzt so emsig an einer Stickerei
rrbeitete, als wüßte sie nicht mehr, daß außer
ihr noch Jemand im Zimmer sei.
Palindrom.
Ich habe, lieber Leser, nur vier Zeichen,
ZDie umgekehrt dasselbe Wort dir sagen;
Die Flammen, die aus meinen Innern schlagen,
Sie können Erz und Eisen selbst erweichen.
Auflösung der Charade in Nr. 98 des Unterhalt⸗
uͤngsblaties: Schlachtfeld.“
Druck und Verlag von F. X. Dewetz in St. Ingbert.