Die Wärterin aber, welche Mathilde bis
zum vierzehnten Lebensjahre stets begleitete,
fand in der Unterhaltung mit der Wittwe
Heller zu große Annehmlichkeiten, als daß sie
diese durch einen Machtspruch ihres Herrn
hätte verlieren mögen.
An dem Tage, an welchem Maͤthilde für
den Gespielen bei dem Vater bat, saß Ernst
in seinem kleinen Schreibzjimmer, um an die
Geschäftsfirmen, welche er, vertrat zu schreiben.
Aber so sehr er sich auch zwang, seine Ge⸗
danken zu sammeln, wollte ihm dies doch
nicht gelingen, er wußte, welchen Schritt
Mathilde heute für ihn that und sah mit
Spanuung und Unruhe ihrer Nachricht entge⸗
gen. Ging der Rentner auf die Bitte seiner
Tochter ein, so zweifelte Ernst nicht daran,
daß es ihm gelingen werde, binnen Kurzem
einen geachteten Namen an der Börse zu er⸗
halten. Helldau hatte ihm in diesem Falle
seine Hülfe zugesagt, es konnte nicht fehlen,
daß er, durch die Erfahrungen und das Genie
des Buchhalters unterstützt, rasch an das ge—
wünschte Ziel kam. — Ganz mit diesen Ge—
danken beschäftigt trat er an's Fenster, um
hinauszuschauen, ob der Bote Mathildens noch
nicht erschien.
Statt seiner trat die Mutter, eine noch
ziemlich rüstige Frau, in's Zimmer.
„Noch immer kein Brief angekommen?“
fragte Ernst ungeduldig.
„Nur Geduld,“ erwiederte die al?e Frau
lächelnd, Mathilde wird schon Nachricht
schicken. Ihr Verliebte wollt stets mit dem
Kopf durch die Wand rennen, jedes Ding
hat seine Zeit, darum warte geduldig ab, bis
Du das Resultat erfährst.“
Ernst hörte die letzten Worte nicht mehr,
er sah den Diener des Rentners über die
Straße kommen und eilte hinaus, um den
Brief, den dieser in der Hand hielt, in Em—
pfang zu nehmen. Das Billet enthielt nur
die wenigen Zeilen: „Mein Vater ist geneigt,
die Summe vorzustrecken, wenn die Zinsen
und der Antheil an Geschäftsgewinn seinen
Wünschen entsprechen. Zu diesem Zweck wäre
eine unverzügliche, mündliche Unterredung mi⸗
meinem Vater, welche dieser selbst wünscht
erforderlich.“ — „Da haben wir's seufhle
der junge Mann, ‚hohe Zinsen und Antheil
am Gewinn, — was bleibt mir ?“
„Schon wieder kleinmüthige?“ nahm die
Mutter das Wort. „Doß der Rentner hohe
Zinsen fordern würde, darauf mußtest Du
gefaßt sein. Nimm das Geld und sieh zu,
was Du verdienen kannst, wirft das Geschäft
nicht den erwarteten Gewinn ab, so muß
Dein Gläubiger sich auch mit dem Wenigen
begnügen.“
„Und ich bleibe vor wie nach der arme
Teufel, der ich war!“
„Die Folge wird lehren,“ fuhr die Mut—
ter fort. „Helldau hat Dir seinen Beistand
zugesagt, seine Kenntnisse und Erfahrungen
verdoppeln den Werth des Geldes, und bei
Deiner Umsicht und Thätigkeit ist ein günsti—
ger Erfolg kaum zu bezweifeln.“
„Du siehst mit den Augen der Muiter—⸗
liebe in meine Zukunft,“ versetzte Ernst, dem
das Lob der alten Frau ein Lächeln entlockte,
„wir Männer betrachten das Alles ernster
und —“
„Und am Ende schreckt Ihr doch noch
vor Kleinigkeiten zurück, über welche wir viel—
leicht unbekümmert hinwegschreiten würden,“
unterbrach die Mutter ihn. „Frisch gewagl
ist halb gewonnen! Fester Wille und Stand—
haftigkeit richten oft mehr aus, als Kapital
und Kenntnisse.“
Ernst griff zu Hut und Stock und reichte
der Mutter die Hand. „Ich gehe,“ sagte er,
„will der Rentner mir die Summe anver⸗
trauen, so nehme ich sie in Gottes Namen.
So Mancher hat sein Ziel erreicht, warum
sollte es nicht auch mir gelingen!“
Der Rentner war erstaunt, den jungen
Mann so bald schon zu sehen, daju wollten
ihm die Gesichtszüge desselben gar nicht ge—
fallen. Wenn sein Blick den ruhigen, dunkeln
Augen des jungen Mannes begegnete, kam es
über ihn, wie die Stimme des bösen Gewissens.
Weßhalb, wußte er selbst nicht, unwillkührlich
mußte er die Wimpern senken, er konnte die—
sen Blick nicht ertragen. Nichtsdestoweniger
zeigle er sich den Wünschen des jungen Man⸗
nes geneigt. Er mußte ihm den Plan seiner
Opeꝛationen entwerfen, über dieses oder jenes
Geschäft seine Ansicht sagen und auf diese
Weise ein Cramen bestehen, dessen Resultat