Full text: St. Ingberter Anzeiger

den alten Herrn befriedigte. Auf die Begegnung 
mit seiner Tochter im Theater kam der Rent 
ner nicht zurück, eine Berührung dieses Punk—⸗ 
tes würde ihn gewissermaßen in den Augen 
des jungen Mannes zu Darkbarkeit verpflichtet 
haben, und eine solche Verpflichtung wollte 
strämer nicht anerkennen. Er fand sich endlich 
bereit, die Summe vorzustrecken und forderke 
dafür fünf Prozent Zinsen und ein Drittel 
des Geschäftsgewinns, womit Ernst nach eini⸗ 
gem Zögern sich einverstanden erklärte. 
Noch im Laufe desselben Tages empfing 
der junge Mann gegen eine Schuldverschreibung 
das Geld und beim Anblick desselben fühlte 
er sich von neuem Muth beseelt. Mit frohen 
Hoffnungen sah er in die Zukunft, er wollte 
unermüdlich schaffen und streben, bis er das 
Ziel erreicht hatte, welches er erreichen mußte, 
um die Hand Mathildens zu erringen. 
Fortsetzung folgt.) 
DZRer 
Mänzsammler. 
(Staatsbztg.) 
Eine Novelle. 
(Fortsetzung.) 
Während Willrich's Frau so sprach, war 
die Stickerei ihrem Schodß entglitten; der 
Baron hob sie auf und ttrat dicht an sie heran. 
„Auch Sie sind eine Josephe, aber die noch 
unglückliche. Hätt's selbst nicht dieser Mund 
verrathen, so würde ich es allein durch dieses 
feuchte Auge erkannt haben.“ 
Er wagte bei Ueberreichung der Stickerei 
ihre Hand zu berühren; sie entzog sie ihm, 
und schon war ihr Gesicht wieder ernst und 
der Ton kalt, als sie entgegnete: 
„Sie befinden sich in einem Irrthum, mein 
Herr! Wenn ich Ihnen meine Gefühlsregung 
dabei schon einmal erklären muß, so mögen 
sie erfahren: Ich habe eine Freundin, und 
deren Schicksal hat so viel Verwandtes mit 
dem *ver Bettlerin vom Pont des Arts, daß 
ich mich darum für das Werk interessire.“ 
„Und hat diese Freundin auch einen Ju⸗ 
gendgeliebten ? 
Leonie blickte nach dem Fenster. „Ich — 
weiß ich es nicht.“ — 
Erleichtert athmete sie auf, als sie in dem 
Augenblick schwere Tritte auf der Treppe 
vernahm und gleich darauf Willrich ein⸗ 
trat. 
Dem Baron war in seinem Leben nie 
ein Gesicht widerwärtiger vorgekommen, als 
dieses vertrocknete mit den grauen, stechenden 
Augen des Mannes, der ihr Gatte war und 
der dieses liebliche Wesen gar nicht beachtete, 
'ondern ihn mit der zuvorkommendsten Freund⸗ 
ächkeit begrüßte und ihm sofort, die Thür 
nach seinem Arbeitszimmer öffnete. Um seine 
kmpfindung nicht zu verrathen, war der Ba⸗ 
ron gezwungen, dieser Weisung zu folgen; 
er konnte nur noch einen flüchtigen Blick auf 
Leonie werfen; diese hatte sich jedoch ganz 
naach dem Fenster gewandt, und es schien ihm, 
als ob sie dort mit Absicht in unbeweglicher 
Stellung verharrte. 
An diesem Tage sah sie der Baron nicht 
wieder; aber für ihn war dieser Tag ver⸗ 
hängnißvoll geworden. Ohne sich seiner Ge⸗ 
fühle klar bewußt zu sein, grub sich Leoniens 
Bild immer tiefer in seine Seele. 
„Und sollte ich cleichgiltig sein,“ fragte 
er sich, „wenn sich alles, was er that, mit 
'hr verwebte, da sie unglücklich ist? Sie ist 
inglücklich, sie muß es sein, wenn sie sich auch 
demüht, einen dichten Flor über ihren Schmerz 
zu ziehen. Der Flor bleibt durchsichtig; das 
Zucken des Mundes, der trübe Blick. das 
bleiche Gesicht läßt sich nicht ganz dahinter 
verbergen. Und darum, weil sie unglücklich 
ist, sollte ich mich da nicht mit freundschaft- 
licher Theilnahme um ihr Schicksal kümmern, 
wo ich sie doch schon einmal einer Lebensge— 
fahr entzogen habe ?“ 
Und so denkend, war in dem Baron 
kein Kampf, als er den Vorsatz faßte, Leo— 
niens Vertrauen um jeden Preis zu erwer— 
ben. Er erkannte auch die Nothwendigkeit, 
daß wenn er sich diesen Weg bahnen wolle, 
er dazu das Zutrauen des gewinnsüchtigen 
Münzsammlers erringen müsse. Und da gab 
es nur ein Mittel: er mußte sich in der 
Münzenkunde als Laie anst. llen. Das that er. 
Er kaufte von Willrich unbedeutende Sachen 
theuer an und gab ihm seine eigenen werth⸗ 
oollen für geringes hin. Willrich lachte heim⸗ 
ich und schien äußerlich von des Barons