Dder Münzsammdler.
Staatsbztg.)
Eine Novelle.
Fortsezung.)
Leonie strebie mit der Kraft ihrer ganzen
Seele danach, dem Manne die Treue zu be—
wahren, die sie ihm am Altar gelobt. Des
Geliebten VBild konnte sie nicht mehr aus
hrem Herzen reißen; aber desto strenger
suchte sie über ihre Handlungen zu wachen.
Doch die Gfahr fing an, ihr noch größer
durch Willrich selbst zu werden.
Zu gleichgiltig für alles, was dieser that,
hatte sie sich acch nie um seine Münzen ge—
fümmert; ja, sie haßte diese sogar, weil diese
u ihrem verödeten Leben beitrugen. Aber
bon dem Tage, wo der Baron ihr Haus be—⸗
rat, durchschaute sie mit dem Scharfblick einer
diebenden, die um den Geliebten bangt,
Willrich's eigennütziges Streben, aus dem er
ihr auch bald kein Hehl machte. Bisher hatte
je gegen den Mann, dessen Namen sie trug,
immer noch eine gewisse Achtung gehabt, sein
chroffes Betragen Mangel an Bildung zuge⸗
scchrieben, ihre unselige Verbindung mit ihm
allein als das Werk der Stiefmutter betrach⸗
et, welche, um einen zweiten Mann zu er—
obern, die blühende Tochter nicht neben sich
dehalten wollte, und, nachdem der Erfolg des
Inserats ihr letztes Hoffen geknickt, sich zu
resigniren gesucht. Doch seit dem Tage, wo
ie den Mann wiedergesehen, der sie aus einer
Lebensgefahr gerettet, seit dieser sich ihr mit
Blicken genähert, die bis in das innerste
hrer Seelen drangen, und sie fühlen lernle,
Jemand bekümmere ihr Schicksal, seitdem hatte
hr Herz Wünsche und nie geahnte Empfin⸗
zdungen; sie strebte diese durch die Pflicht zu
zekämhfen, aber sie beobachtete auch die Hand⸗
ungen des Mannes, um den sie diese Kämpfe
hat, und als sie entdedte, daß Willrich in
dem Gelsebten eine Beute sah, da steigerte sich
ihre Abneigung gegen diesen in Abscheu und
VBerachtung, und ihre Kälte gegen den Baron
jollte einen doppelten Zweck haben. Ihr Be⸗
ragen mußte ihn aus ihrer Nähe verscheuchen,
und damit war Willrich's Plan durchschnitten;
der geliebte Mann soll gehen, nie wiederlehren,
ind wenn ihr Herz auch darüber brechen
nöchte; — was lag daran, war doch ihr
Leben verfehlt, und lange konnte es mit
inem gebrochenen Herzen auf Erden nicht
dauern ·.
Aber ihre Krämpfe vermehrten sich; der
Beliebte ging nicht, sondern sie mußte sehen,
wie sehr er unter ihrer Kälte litt, und wie
Willrich, einer Spinne gleich, sein Netz immer
dichter um sein Opfer zog, damit es ihm nicht
mehr entgehe.
Während der Baron so duldete und ver⸗
geblich einen Weg suchte, wodurch er die
Eisrinde von Leoniens Herz durchbreche, hatte
diese in ihren Kämpfen einen großen Ent⸗
chluß gefaßt; so konnte, so sollte es nicht
ortgehen. —
Es war ein trüber Tag. Der Himmel
var voller Wolken, schon fielen große Regen⸗
zropfen, während ein heftiger Wind den Staub
zon der Erde peitschte. Leonie stand am Fen⸗
ter ihres Wohnzimmers.
Vor einigen Minuten war der Baron
erust und traurig, wie er es schon seit langer
Zeit durch ihr Benehmen geworden, fortge⸗
zanugen und zwar nach einem ungewöhnlich
urzen Besuch, vorgebend, er habe wichtige
Briefe zu beantworten, aber diesmal in Wahr⸗
heit mit dem Vorsatz. Leoniens Kälte, die
noch eisiger als sonst war, nicht länger er⸗
ragen zu wollen; diese war so schroff hervor⸗
zetreten, daß auch Willrich davon betroffen
vurde und dadurch selbst seine sonstige rück⸗
ichtlose Rüge in Gegenwart des Barons
bergaß.
Jetzt stand sie am Fenster und suchte die
Bestalt des Geliebten noch in der Nähe zu
erspähen, denn er bliclte ja nie mehr nach
hrem Fenster zurück; er wußte ja nicht, daß
zasselbe Wesen, das ihn von sich verscheuchte,
astand und mit thränenden Augen seine Schritte
zerfolgte.
Geseukten Haupies stand sie da, als sich
Willrich's knochige Hand schwer auf ihren
Nacken legte.
Mehr erschrocken, daß ihre wenn auch
chmerzlichen Gedanken so unsanft unterbrochen
vurden, als auf ihrem Nacken die Wucht dieser
dand fühlend, trat Leonie von Willrich zu⸗
rück; aber ehe sie fragen konnte, was ihn zu