Full text: St. Ingberter Anzeiger

der rauhen Berührung veranlasse, überhäufte 
dieser sie mit einer Fluth von Vorwürfen, 
während er dabei so aufgeregt wurde, daß 
seine Stimme vor Wuth zitterte. Er nannte 
sie kindisch, albern, untauglich für jede mensch⸗ 
liche Gesellschaft; bedauerte sich, hieß sich den 
unglücklichsten Mann auf Erden, weil er eine 
Frau habe, die ihm das Leben verkümmere, 
und die Freunde von feiner Schwelle ver⸗ 
scheuche, und das müsse anders werden; aber 
er würde sie fühlen lassen, daß er der 
Hderr des Hauses fei und sie ihm gehorchen 
müsse. J 
deonie versuchte alles das gelassen anzu⸗ 
hören; aber als seine Vorwürfe sich häuften 
und er immer weniger die Ausdrücke dazu 
wählte, färbte auch ihre Wange die Röthe 
des Zornes, und ganz von Entrüstung erfüllt 
gebot sie ihm jetzt seine Ausdrücke zu mäßigen 
und begann: 
„Wohlan, Deine Rüchsichtlosigkeit verdient 
keine Schonung! Unsinniger Mann, siehst Du 
denn keine Gefahr für mich, wenn ich mein 
Betragen gegen den Baron ändere? Hat Dein 
eigennütziges Streben Dich blind gemacht? 
Bedenke, daß der Baron mich lieben 
könnte!“ — 
Es war gesagt — aber weiter konnte die 
unge Frau nicht sprechen, wenn fie sich nicht 
zanz verrathen wollte; auch mußte das ja 
Jenüg sein. — Willrich mußte doch aufmerk— 
samer »werden, und liebte er sie auch nicht, 
—X 
jehlbar mußte in dieser unheimlichen Schwüle 
eine Krise eintreten, welche die Qual in ir⸗ 
gend einer Art endete. 
Zitternd mit gesenktem Blick stand sie da 
und harrte seiner Antwort. Aber zu ihrem 
sprachlosen Entseen lachte Wilirich hell auf 
und enigegnete: 
„Und mit diesem Phantastebilde glaubst 
Du mich zu schrecken? Dich der Baron lie⸗ 
hen ? Du alberne Frau, welche überspannten 
Gedanken spucken in Deinem Gehirn? Ich 
übernehme die Gefahr und bekehle Dir, als 
Dein Herr und Mann, der für Dich sorgt, 
Dein Betragen gegen den Baroen zu ändern. 
BHlaubst Du, dieser geistvolle Mann, der die 
zjanze Welt beinah durchreis't hat, denke an 
nichts höhres ?) Nein, er ist mein Schüler, ver⸗ 
ehrt in mir seinen Meister und es ist ihm 
aur unangenehm, daß Du Dich so unver⸗ 
aünftig beträgft, weil Du grade meine Frau 
hist. Uebrigens nimm Dir ein Exempel an 
nir; Münzsammler find ernste Männer und 
eine Phantasten. — Male Dir immer so 
ziel Gefahren aus, wie Du willst; aber än⸗ 
dere Dein Betragen gegen den Baron 
»der Du wirst meine ganze Strenge fühlen 
lernen.“ 
(Fortsetzung folgt.) 
Mannigfaltiges. 
In der Sammlung von Manuscripten und 
Documenten, welche beim Brande des erzbi⸗ 
chöflichen Palastes in Bourges vernichtet 
vurden, war wohl eins der interesfantesten 
ein Actenstück, welches persönliches Eigenthum 
der Familie de Latour d'Auvergre war und 
nichts Geringeres als die angebliche Exec u⸗ 
tionsordre zur Kreuztgung Jesu 
CEh risti enthielt. Das Actenstück lautete 
folgendermaßen: 
„Jesus von Nagzareth, vom jüdischen 
Stamme Juda, des Betrugs und der Rebellien 
zegen die göttliche Autorität Tiberius Augu⸗ 
tus, des Kaisers der Römer, überführt und 
vegen dieses Sacrilegiums über Verfolgung 
insers Herrn, Herodes, Stellvertreters des 
daisers in Judäa, durch Spruch des Richters 
Pontius Pilatus zum Tode am Kreuz ver— 
irtheilt, soll morgen Früh. am 23. des Idus 
des März, unter Escorte einer Abtheilung 
der Prätorianergarde zum gewöhnlichen Hin⸗ 
eichtungsplatze geführt werden. Der sogenannte 
Zönig der Juden soll durch das Struneanische () 
Thor hinausgeführt werden. Alle öffentlichen 
Beamten und Uatherthanen des Kaisers sind 
angewiesen, der Ausführung dieses Urtheil⸗ 
pruchs ihre Unterstützung zu leihen. Jerusalem 
22. des Idus des März. A. U. 788. Capel.“ 
Druck und Verlag von F. X. Demeßz in St. Ingbert.