Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
jum 
St. Ingberter Anzeiger. 
121331. 
Nr. 100. Donnerstag, den 24. Au au st 
Ein böses Gewissen.* 
so dürfe sie nur fordern, ich würde den höh 
sten Preis zahlen, vorausgesetzt, daß dieser 
nicht gar zu hoch begriffen sei. Die Frau 
maß mich mit mißtrauischen Blicken und stellte 
entschieden in Abrede, daß sie derartige Pa— 
piere besitz,, worauf ich erwiderte, ich wifsse 
das Gegentheil zu genau, als daß ich mich 
so ohne Weiteres abweisen ließe, das Doku⸗ 
nent sei veriegelt, sie möge es mir nur ein⸗ 
nal zeigen, ich wollte ihr eben sagen, ob ich 
von demselben Gebrauch machen könne oder 
nicht, Die Frau blieb fest, jedenfalls hatte 
hr Mann sie instruirt, und selbst der Klang 
des Geldes, welches ich auf den Tisch warf, 
bermochte nicht, sie meinem Wunsch geneigt zu 
machen, sie läugnete hartnäckig, ein solches 
Dokument zu besitzen. Ich sah endlich ein, 
daß Alles vergeblich war, und wollte mich 
schon entfernen, als der Sohn des Ackerers, 
ein ziemlich stämmiger Bursche, eintrat. Kaum 
erfuhr er mein Begehr, als er sich dicht vor 
mich hinstellte und mir in ganz unzweideuti⸗ 
gem Tone rieth, ich möge das Haus sofort 
verlassen, wenn ich nicht gewärtigen wolle, 
gewalisam an die Luft gesetzt zu werden. Er 
lenne diese Schleichwege sagte er, ich solle 
mich aber nicht der Hoffnung hingeben, je 
dieses Dokument zu besitzen. Er werde jeden, 
der Verlangen nach demselben trage, in einer 
Weise heimschicken, die ihm die Wiederlehr 
verleiden solle. — Der drohende finstere 
Blick des Burschen, seine herausfordernde 
Haltung und die Gereiztheit, welche sich in seinem 
Wesen kundgab,ließen mich nicht bezweifeln, daß 
die That den Worten auf dem Fuße folgen könne, 
deßhalb zog ichvor, gleich den Rückweg anzutreten.“ 
Novelle 
von Ewald August König. 
(Fortsetzung.) 
Der Buchhalter zuckte die Achseln. „Mann 
kann sich in den Menschen täuschen, doch 
brechen wir einstweilen von diesem Thema 
ab. Also, ich sallte der Frau dieses Ackerers 
das Dokument aus den Händen locken, so 
lautete mein Auftrag. Ich begab mich un— 
verzüglich auf den Weg und traf nach Mittag 
in dem Dorfe ein. Als ich in das Haus 
des Ackerers trat, sah ich in der Wohnstube 
auf einem Brett verschiedene alte Bücher 
stehen. Ihr wißt, ich bin ein Freund solcher 
alter Bücher, unter ihnen findet man oft ver⸗ 
gessene— Schätze, die längst verschollen sind, 
und so hatte ich denn nichts Eiligeres zu 
thun, als Bücher zu durchstöbern. Ich knüpfte 
mit der Hausfrau eine Unterhaltung über 
das Wetter, die Getreidepreise und den Hagel⸗ 
schlag des vergangenen Jahres an und sah 
inzwischen die Buͤcher nach. Was ich suchte, 
jand ich nicht, die Schriften hatten für mich 
kein Interesse, weil sie theils über den Acker⸗ 
bau, theils über juristische Fragen handelten, 
aber sie boten mir einen Anknüpfungspunkt, 
wie ich ihn besser wohl nicht finden konnte. 
Ich / gab vor, ich sei ein Liebhaber von alten 
Buͤchern und Dokumenten und habe ver⸗ 
nommen, daß sie oder ihr Gatte, was doch 
gleichbedeutend sei, ein solches Dokument be⸗ 
sitze, wenn sie mir dasselbe überlassen wolle,