„Und was sagte Krämer zu dem Resul⸗
sat Eurer Sendung?“ fragte Ernst, der
augenblicklich vermuthete, daß dieser Sendung
eine Schurkerei zu Grunde lag.
Was er sagte?“ fuhr der Buchhalter
zornig fort. „Er schalt mich einen Dumm⸗
kopf, einen Esel, der zu nichts Anderem tauge,
als in alten Scharteken zu blättern, einen
Vtenschen, der gänzlich abgestumpft sei! Das
war mein Dank! Als ob er es hätte besser
machen können!“
Ernst erhob sich und nahm seinen Hut.
„Wohin?“ fragte die Mutter, erstaunt,
daß ihr Sohn so spät noch ausgehen wollte.
„Zum Doktor Schacht,“ erwiderte der
junge Mann, „er muß unserm Freunde bei⸗
stehen. Schulz mag in der Ackerwirthschaft
zu Hause sein, in den Gesetzen ist er nicht
hewaͤndert, deßhalb will ich Schacht bitten,
daß er die Vertheidigung des Gefangenen
übernimmt.“
„Er ist ein guter Mensch,“ sagte die
Wittwe. „Gott möge ihn segnen und ihm
geben, daß er noch einmal so glücklich wird,
wie sein edles Herz es verdient.“
„Ich stimme in den Wunsch ein,“ erwi—
derie Helldau. „Ihn und Mathilde glücklich
zu sehen, ist der einzige und höchste Wunsch
meines Herzens. — Mathilde hat ihn lieb,
sehr lieb,“ fuhr er nach einer kurzen Pause
fort, „sie spricht immer von ihm, geben Sie
Acht, aus den beiden kann mit der Zeit noch
einmal ein schmuckes Paar werden.“
Die Witiwe sah erstaunt dem lächelnden
Manne in's Antlitz.
„Possea,“ versetzte sie, „ich denke nicht
im Entferntesten daran. Matbhilde ist die
Tochtet eines Millionärs, Ernst ein blutarmer
Agent, der mit geliehenen Kapitalien sein Ge⸗
schäft beginnt·.
„Sie übertreiben auf beiden Seiten,“
nahm der Buchhalter das Wort. „Krämer
mag seine zweimalhunderttausend Thaler in Ver⸗
mögen haben, ein Millionär ist er nicht. Ich
gebe zu, daß er sich weigern wird, in eine
jolche Heirath zu willigen, man bedenke indeß
auch, daß der Alte seine Tochter liebt, wenn
ie fest bel ihrer Wahl beharrt, so muß er
im Ende doch nachgeben. Ernst besitzt Talent
und Fleiß, er erbt einst von Ihnen dies
Häuschen.“
„Und das ist anch Alles,“ unterbrach die
Wittwe ihn, „das kleine Legat, welches mir
von der Familie meines verstorbenen Mannes
ausgezahlt wird, erlischt bei meinem Tode.“
Helldau rieb sich verlegen das Kinn. „So
so, ein Legat?“ sagte er. „Ich habe bisher
immer geglaubt, Sie besäßen einige Kapita⸗
lien — — nun, nun, wenn das Legat nicht
zar zu kärglich zugemessen ist, kann man's noch
immer gelten lassen.“ Der eigenthümliche Ton, in
velchem der Alte diese Worte sprach, die
Verlegenheit, welche zu verbergen er vergeblich
iich bemühte, mußten die Aufmerksamkeit der
Wittwe erregen, aber Helldau ließ ihr nicht
Zeit, über den Grund lange nachzudenken.
„Das Junggesellenleben ist immer nur ein
halbes Leben,“ fuhr er fort; „mag man auch
die Vortheile desselben an's Licht zu ziehen
suchen, die Schattenfeiten treten doch immer
hervor. Habe ich Recht, Frau Heller ?“
„Ich bin nicht kompetent darüber zu ur—
theilen,“ erwiderte die Wittwe, einigermaßen
verlegen.
Frreilich nicht,“ fuhr Helldau ihr in's
Wort fallend fort, „Sie können ja nicht wis⸗
sen, wie einem alten Junggesellen oft zu
Muthe ist. Aber ich, — ich empfinde es,
rotzdem Ihre Freundschaft mich vor den Un
annehmlichkeiten des Junggesellenstandes zu
bewahren jucht. Ich verkenne nicht, daß Sie
Manches an mir gethan haben, Manches und
jo viel, daß ich es nicht gut zu machen weiß,
aber“ den eigenen Heerd können Ihre Auf⸗
merksamkeit und Fürsorge mir doch nicht
ersetzen.“
Der alte Mann war sichtbar gerührt, um
seine Lippen zuckte es einige Mal, er that
sich Zwang an, seine Rührung zu verbergen.
Der Wittwe war auch nicht so ganz wohl
beil den Worten des Junggesellen, sie fühlte sich
sum erstenmal seit ihrer Bekanntschaft mit
Helldau befangen in seiner Gegenwart, sie
wußte nicht, wie sie seine Worte deuten
ollte.
„Sehen Sie, als ich heute Morgen so
mutterseelenallein über die Landstraße wan⸗
derte und auch auf dem Rückwege malte ich
mir in Gedanken lebhaft das Glück eigener