Full text: St. Ingberter Anzeiger

ver Angellagte wirklich den Mord begangen 
hat, versteht Ihr mich 7 2 
Nicht so ganz!“ erwiederte die Frau, 
deren Angst sich bereits steigerte. 
„Nun, seht einmal, Euer Mann hatte 
von dem Gelde, weldes Krämer ihm zur 
Erziehnng seines Sohnes — wie heißt 
er doch ?“ 
„Ernst,“ watf die Frau arglos hin. 
„Seines Sohnes Ernst schickte, eine Summe 
von zweihundert Thatern unterschlagen,“ fuhr 
Wetterau, der im Stillen schon triumphirte, 
fort, „das werdet Ihr doch zugeben müssen.“ 
Unterschlagen?“ fiel Frau Schulz ent— 
rüstet ihm in die Rede. „Er hat das Geld 
geliehen, um Vieh dafür zu kaufen, er wollte 
es zurückgeben, sobald sein Herr hier ein⸗ 
traf.“ 
„Seht Ihr, da liegt der Hase im Pfeffer! 
Leihen ohne Erlaubniß des Eigenthümers heißt 
unterschlagen. Er wollte es zurückgeben, folg⸗ 
lich hat er es nicht zurückgegeben. Nun gut, 
gefetzt auch, das Gericht nimmt die redliche 
Ablicht an, dam«t ist indeß noch nichts ge— 
wonnen. Der Brief Krämer's meldet dessen 
kaldige Rückkehr, Euer Mann hat das Geld 
noch nicht beisammen, es fehlen ihm 80 
Thaler — was nun thun Soll er feinem 
Herrn sagen: „Ich habe das, Geld für diesen 
oder jenen Zweck ohne Deine Erlaubniß aus⸗ 
gegeben “ Ihr werdet einsehen, daß er diet 
nicht konnte, Krämer würde ihn der Unred⸗ 
lichkeit beschuldigt haben, er mußte das Geld 
sich auf jedenfalijzu verschaffen suchen. Dies 
gelingt ihm: nicht, seine Ehre steht auf dem 
Spiele, da fällt ihm der Gedanke ein: „Wie 
wenn ich den Eigenthümer des Geldes qus 
dem Wege schaffe d dadurch wäre mir auf 
dem kürzesten Wege gehoffen, ich hätte nicht 
nöchig, länger mich zu grämen, und könnte 
die übrigen hundert und funfzig Thaler be⸗ 
halten.“ 
„Herr Vürgermeister!“ fuhr die Frau in 
gerechter Entrüstung auf. 
So laßt mich doch ausreden! Ich sage 
—XRO 
ich glaube, ich sage nur, die Herren Geschwo— 
renrn werden sich in dieser Weise eine Ge— 
schichte zusammenreimen, welche Eurem Manne 
den Hals brechen muß. — Er geht also mi 
diesen Gedanken einige Zeit um, macht sich 
immer vertrauter mit demselben, und der Um⸗ 
stand, daß Niemand außer ihm von der 
Rückkehr Krämer's etwas weiß, erleichtert sein 
Vorhaben. Der Mord wird vollbracht, zu⸗— 
faäͤllig aber fällt dem Mörder ein Meesser aus 
der Tasche, welches sofort dem Gesitze einen 
Beweis gegen ihn in die Hand gibt, dazu 
treibt den Viörder die Gewissensangst, nach 
dem Morde wieder der Erste anuf dem Schau⸗ 
platze des Verbrechens zu sein.“ 
„Ich denke, gerade dies müßte seine Un⸗ 
schuld beweisen,“ entgegnete Frau Schulz, die 
an solche Kombinationen nicht im Entferutesten 
gedacht datte. 
„Im Gegentheil,“ fuhr Wetterau gelassen 
fort, „die Beispiele stehen nicht vereinzelt da, 
daß der Mörder, in dem guten Glauben, sich 
dadurch von jenem Verdacht zu reinigen, so— 
gar selbst die Anzeige von dem Verbrechen 
gemacht hat.“ 
Die arme gequälte Frau konnte ihre Selen⸗ 
angst nicht mehr bemeistern, sie ergriff die 
Hand des Bürgermeisters und bat ihn, ihr zu 
rathen, ihr beizustehen, ihr Mann sei gewß 
unschuldig, das Gericht würde sich einrs 
Mordes schuldig machen, wenn es ihn ver⸗ 
urtheible. — 
Wetterau zuckte die Achseln, und diese 
kalte Gleichgültigkeit constratirte seltsam mit 
dem teuflischen Triumph, welcher in seinem 
stechenden Blick leuchtete. „Was kann ich dazu 
thun entgegnete er. „Was ich thun konnte, 
ist geschehen, ich habe Eurem Manne ein 
dutes Zeugniß gegeben und will auch gern 
vor Gericht bezeugen, daß er stets brav und 
rechtschaffen war, ob dies aber der Anklage 
gegenüber überhaupt einen Eindruck machen 
wird, möchte ich fast bezweifeln. — Es gäbe 
vielleicht ein Mittel, ein tinziges,“ fuhr er 
nach einer kurzen Pause fort. 
„Welches ?“ fragte Frau Schulz hastig. 
„Sprecht, ich bin zu jedem Opfer bereit.“ 
„Ein Opfer wird nicht verlangt; es gilt 
einfach zu beweisen, daß Euer Miann kieinen 
Vortheil durch den Mord gehabt hätte. Wie 
aber den Beweis führen ? — Für's Erste 
müßten die zweihundert Thaler herlrig schofft 
werden. Eucer Mann hat kreilich in dem Ber 
dore gesagk, sie sesen noch nicht beilammen