zu dem Scheitel des Bergrückens nachtönt.
Es ist ein herrlicher Anblick von der Höhe aus
nach dem See hinüber.
Dort, wo derselbe eine Art kleine Bucht
bildet, liegt ein Haus, dessen Dasein nur durch
das glänzend graue Schieferdach bezeichnet
wird, da alle vier Wände desselben bis zum
Dache von mehreren, viele Jahrzehnte alten
Epheustöcken umwachsen und bedeckt sind.
Diejer Eigenschaft verdankt das Gebäude den
Namen „Epheuhaus.“ Lange Zeit war das⸗
selbe im Besitze eines großen Kaufmanns aus
Rlausthal gewesen, der es seiner reizenden
Lage wegen gekauft und verschönert hatte.
um es einige Wochen im Hochsommer als je⸗
weiligen Aufenthalt benutzen zu können. Nach
jeinem Tode war es in den Besitß eines
Mühlendesitzers übergegangen und von ihm
permiethet worden, bis die fremde, schwarze
Dame die hiesige Gegend bereist, und Gefallen
an der stillen einsamen Klause gefunden und
das Haus dem Mühlenbesitzer abgekauft hatte.
Die Bevbölkerung der Gegend bestand, wie
schon oben angedeutet, meist aus Vogelstellern.
Während nun die älteren Glieder der Fa⸗
milien den Tag über ihren Geschäften nach⸗
gingen, mußten die Kinder ebenfalls zum
Lebensunterhalt mit beitragen, indem sie durch
Sammeln von Waldbeeren und Verkaufen
derselben in die Stadt den Verdienst erhöhen
dalfen.
Da war eines Tages die „schwarze Dame,“
mit welchen Namen dieselbe ihrer schwarzen
stleidung halber belegt wurde, unter sie ge⸗
treten und hatte sie, die Kinder, zu sich ein⸗
geladen, um ihnen einen anderen Weg zu
seigen, auf dem sie mehr zu erwerben ver⸗
möchten, als auf dem jetzigen. Die Kleinen
waren gekommen. Da haͤtte sie ihnen allerlei
Handarbeiten und Fertigkeiten gelehrt, die bei
einer weit geringeren Anstrengung viel loh⸗
nender waren, als ihre früheren Beschäf⸗
tigungen. Die Kinder waren wiedergekommen
und hatten nach und nach ihren Besuch so
regelmäßig eingerichtet, daß, wenn die Kinder
rach den Epheuhause gingen, es aussah, alt
desuchten sie zur bestimmten Zeit die Schule.
Dabei hatte die schwarze Dame durch
jhre Liebe und Freundlichkeit gar bald die
Herzen der Kleinen in einem solchen Maße
erobert, daß es für dieselben als eine Strafe
galt, wenn sie nicht zur „Tante,“ wie sich
die schwarze Dame nennen ließ, gehen durften.
Ebenso wie die Herzen der Kinder für sie
schlugen, so war sie auch von dem erwachsenen
Theile der Bevölkerung geliebt und verehrt,
da sie stets da, wo es galt, einzugreifen und
zu helfen, die Erste war, welche dem Bedräng⸗
ten die helfende Hand bot.
Niemand wußte, woher sie gekommen war
und Niemand fragte darnach. In ihrem so
segensreichen, stillen Wirken hatte sie bereits
vier Jahre in dem Epheuhause, in welchem
außer ihr nur noch eine alte Wirthschafterin
vohnte, verlebt. Sie mußte diese Person
um sich haben, weil sie den größlen Theil des
Tages entweder mit dem Unterricht der Kin⸗
der oder auf Besuchen außerhalb des Hauses
zubrachte. War irgendwo ein frohes Fami—
lieufest, so war sie gewiß die Erste, welche
die Betreffenden mit Geschenken überraschte
oder durch irgend eine andere Aufmerksamkeit
jur Verschönerung des Festes beitrug. War
irgendwo ein Leidendes, so war sie es, welche
Trost und Erquickung brachte und Alles auf-
bot, um die Leiden desselben so ertraͤchtlich
als irgend nur möglich zu machen.
Ein blasser Teint überzog das regelmäßig
geschnittene Geficht, so viel man durch den
schwarzen Schleitec, der das Gesicht, außer⸗
halb ihrer Häuslihkeit stets bedeckte, zu erkennen
permochte. Das große, sinnende und träume⸗
rische Auge war siets dasselbe ffreundlich bli⸗
kende, klonnte jedoch den schmerzlichen Ausdruck
nicht ganz verwischen, der von Zeit zu Zeit
sich darüber breitete. Ein thränenfeuchtes
Uuge wollten Manche gesehen haben, besonders
bei Verlobungen und Hochzeiten; doch wurde
dies auch wieder von Anderen bestritten. Nur
rin einziges Mädchen blieb bei ihrer Behaup⸗
jung, daß ein Tropfen jenes köstlichen Thaues
über ihre Wangen geperlt sei, als sie ihr
die Nachricht von ihrer Verlobung überbracht
habe.
(Forisetzung folgt.)
Druds und Berlag von F. X. De metzz in St. Ingbert.