Full text: St. Ingberter Anzeiger

das Wiedersehen mit seinem jungen Freunde 
ganz aufgelös't vor Freuden war, aufs herz 
lüchste, und auch Maud ward eine höfliche 
Freundlichkeit zu Theil. Doch als er sie als 
Lady anredete, nahm seine Mutter endlich das 
Wort; bis dahin hatte sie die Begrüßung 
ihres Sohnes mit seinen Gästen mit stiller 
Befriedigung beobachtet und hatte sich dabei 
nicht versagen können, zuweilen den Assessor 
mit triumphirenden Augen anzusehen, der 
dleich ihr die Brgrüßung scharf zu beobachten 
schien. Sie sagte, zu ihrem Sohne ge⸗ 
wandt: 
heit, sich in der Nähe des Mädchens zu 
halten. 
An einem Vormittag war die Baronin mit 
Maud allein ausgegangen. Sie wollten einer 
Jugendfreundin der Baronin einen Besuch 
wachen. Es war das eine Dame, welche die 
Hälfte ihres Lebens bei Hofe zugebracht und 
von der Maud viel lernen sollte. 
Aber es schien als wenn Maud gar nicht 
so neugierig nach der Bekanutschaft der hohen 
Lehrerin wäre. Nach den Augen beim Ab— 
schied zu urtheilen, wäre sie vrel lieber in der 
Besellschaft der Männer geblieben, am liebsten 
freilich noch in der des Ass ssors; so hätte 
ein schärferer Beobachter gesagt, wenn er beim 
Abschied der jungen Leute zugegen gew sen— 
wäre. Auch der alte Engländer war allein 
ausgegangen, und zum ersten Male, seit sich 
die Freunde wiedergesehen, waren sie endlich 
allein, und nach diesem Alleinsein hatte sich 
der Assessor gesehnt. 
Aber schon eine lange Zeit waren sie im 
Zimmer so beisammen, und noch haite Keiner 
ein Wort gesprochen. 
Der Baron saßk an einem Tisch und 
blätterte in einem Album, das seiner Mutter 
gehörte. 
Felix stand ihm zugewandt, mit den 
Rücken an das Fenuster gelehnt, rauchte eine 
Tigarre und beobachtete das Thun des Freun⸗ 
des, ein wenig nachdenkend; eudlich begann er: 
„Alexander, gedenkst Du das arme Album 
nach dem Hades zu besördern ? Du gehst ja 
grausam mit den Blättern um.“ 
Der Baron wies, statt darauf zu antwor⸗ 
len, mit seinem Finger auf eine Seite des 
Albunis hin und sagte: 
„Sieh nur, welch kindliches Vergnügen 
sich meine Mutter gemacht hat. Wie sinnig! 
Hier steht Maud und ich — und hier meine 
Hutter. — Sieht es nicht aus, als hätte sie 
uns wieder zu einem giücklichen Paare gemacht?“ 
Fortsetzung folgt.) 
„Du bist im Irrthum, mein lieber Alexan⸗ 
der; unsre liebe Maud ist noch unvermählt, 
und ich gedenke das liebe Mädchen jetzt in 
Deutschland festzuhalten ·“· 
Der Baron war gezwungen, über diese 
Mittheilung seine Verwunderung auszusprechen; 
aber dennoch war ihm in seiner jetzigen Stim⸗ 
mung der Gegensiand zu unwichtig, um gleich 
danach zu forschen, ob Sir Artur todt sei 
eder sich etwas anders noch zwischen die Ver⸗ 
bindung der jungen Leute gedrängt habe. Er 
fragte nur nach der Tante und vernahm, 
daß die gute Dame todt sei, plötzlich und 
ohne lange Krantkheit das Zeitliche gesegnet 
habe. 
Das genügte dem Baron; er bemühte sich, 
dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, 
und versuchte heiter zu scheinen; dennoch be⸗ 
merlte Der Assessor bald, daß der Freund 
sich damit Zwang auferlegte und viel ernster, 
ja, düsterer war, als er ihn je gekaunt 
haite 
Zwei Tage waren vorüber, Felix machte 
bei den Gästen seines Freundes den Führer 
durch Berlin; der Baron selbst begleitete die 
Besellschaft nur, wenn seine Mutter es aus⸗ 
drücklich wünschte, wo er sich dann aber ge⸗ 
wöhnlich schweigsam verhielt oder dem alten 
Engländer anschloß, mit dem er sich in ein 
—AAæ 
Vergeblich gab ihm die Baronin Gele⸗ 
genheit, sich an Mauds Seite zu gesellen; 
er schien ihre Winke gar nicht zu bemerken, 
und ließ seinem Freunde ungestört die Frei⸗ 
Druck und Verlag von F. X. Demnesß in St. Inabert.