Full text: St. Ingberter Anzeiger

AUnterhaltungsblatt 
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zunt 
St. Ingberter Anzeiger— 
Nr. I0. 
S onntag, den 8. Sertember 
Ein böses Gewissen.* 
Novelle 
von Ewald August König. 
I (Fortsfetzuns , 
Die alte Frau rang die Hände, sie be— 
schwor den Sohn, unverzüglich zu fliehen, um 
dem Zorne Wetterau's auszuweichen, später, 
wenn derselbe verraucht sei, könne er zurück⸗ 
kehren, aber Gottfried wies diese Bitte zurück. 
„Was er gethan habe, könne er vor Gott 
ind den Menschen verantworten,“ erwiederte 
er, „lasse der Bürgermeifter sich einfallen, ihn 
dieserhalb vor Gericht zu fordern, so werde 
er den Herren schon erklären, daß er kein 
Schulbube sei, der solche Beleidigungen schwei— 
gend einstecke“ — Die Mutter schüttelte den 
stopf und schon wollte Gottfried, um die ge⸗ 
ingstete Frau zu beruhtgen, ihren Bitten nach⸗ 
geben und Haus und Dorf verlassen, um in 
der Stadt einige Tage zu ver weilen, als der 
Bürgermeister, diesmal in Begleitung des 
Amtsboten, wieder eintrat. Ohne auf die 
Bitten und Vorstellungen der Mutter zu ach⸗ 
sen, befahl er dem Amtsboten, den jungen 
Burschen wegen vorsätzlicher Mißhandlung 
einer Magistratsperson in Arrest zu stecken, 
er werde heute noch der Regierung über den 
Vorfall berichten und für die zAbführung des 
Befangenen in die Stadt Sorge tragen. 
Vergeblich protestirte Gottfried gegen diese 
Verhaftung, welche er für eine Eigenmächtig⸗ 
leit erklärte, zu der der Bürgermeister kein 
Recht besitze. 
Wetterau hörte den Protest schweigend au 
und ein Hohnlächeln war die einzige Antwort, 
welche er auf denselben ggdh. 
Eine Stunde: später saß Gottfried in 
einem Zimmer des Amtshauses, welches vor 
Jahren zum Gefängniß eingerichtet worden 
var. — Die schweren Eisenstäben vor den 
Fenstern, der Eisenbeschlag und die festen 
—AVC 
in einen Fluchtversuch als Thorheit erscheinen; 
Bottfried dachte indeß auch nicht im Ent- 
eintesten an einen solchen Versuch, er wollte 
m Vertrauen auf eine gerechte Sache sich ge⸗ 
zuldig fügen, geeigneten Orts aber über die 
kigenmächtigkeit des Bürgermeisters Beschwerde 
führen. 
Er befand sich noch Leine Stunde in sei⸗ 
ier Zelle, als der Bürgermeister eintrat. „Ihr 
eht, daß Ihr in meiner Gewalt seid,“ nahm 
er das Wort, „nach meinem Gutdünken kann 
ch Euch einige Tage hier sitzen und dann in 
as Kreisgefängniß abführen lassen; vielleicht 
leibt Ihr dort noch einige Zeit in Unter- 
uchungs; Arrest und werdet schließlich zu vier 
»der sechs Wochen Gefängnißstrafe verur— 
heilt.“. J 
„Je nach den Umständen!“ warf Gott⸗ 
ried gelassen ein. „Hättet. Ihr einen dummen 
Tölpel vor Euch, der sich das Alles gefallen 
ieße, so will ich nicht bestreiten, daß Ihr in 
zieser Weise Eure Rache an mir kühlen 
önntet, ich werde aber schon Mittel finden, 
Fuch Alles, was Ihr mir anthut, reichlich 
uu vergelten.“ 
„Ganz nach Belieben,“ versetzte Wetterau 
pöttisch, „so lange Ihr indeß noch in meiner