Gewalt seid, kann von einer solchen Vergeltung
nicht die Rede sein. Für's Erste werdet Ihr
die Gewogenheit haben, Eure Kleider gegen
diesen Anzug umzutauschen.“ Der Bürger⸗
meister öffnete bei den letzten Worten ein
ziemlich umfangreiches Bündel, welches in
einer Ecke des Zimmers lag, und brachte aus
demselben Hose und Jacke von grobem Sack.
leinen zum Vorschein. „Es ist einmal Sitte,
daß die Gefangenen sofort nach dem Einzuge
in ihre neue Wohnung diese Uniform anzie⸗
hen,“ fuhr er fort, „ich würde Euch gerne
don dieser Sitte entbinden, wenn das Gesetz
nicht ausdrücklich auf Beobachtung derselben
desiände; also macht nicht lange Federlesens
und wechselt die Kleider.“
Die Wangen Gottfrieds färbten sich pur⸗
purroth. „Seht Euch vor,“ rief er zornig,
„Ihr behandelt mich gleich einem gemeinen
Verbrechee ¶4
„Errifert Euch nicht,“ fiel der Bürger⸗
meister geiassen ihm in die Rede. „Wenn Ihr
der gesehlichen Vorschrift nicht Genüge leisten
voslt, so sagt es in aller Ruhe und Ord⸗
nung, ich werde mich dann freilich genöthigt
ehen, Zwangsmaßregeln zu ergreifen. — Es
zgeschieht nur, um Fluchtversuche zu erschwe⸗
ren,“ setzte er hinzu, „in diesem Anzuge
tfommt es einem Arrestanten nicht fo bald in
den Sinn, sein Lokal zu verlassen, weil er
annehmen muß, daß er sofort als Verbrecher
erkannt und ergriffen wird. Also vorwärts
und nicht lange gefackelt, meine Zeit ist
tostbar.“ IJ
KHommt in einer Viertelstunde zurück, ich
verde Euch damn meine Kleider einhändigen,“
entgegnete Gotifried entschlossen. „Ich thue
Euch nur den Willern, um Euch tzu zeigen,
daß ich an Flucht nicht denle.“
„Habt die Güte und besorgl den Um-
jausch sofort,“ versezte Wetterau sarkastisch,
„ich werde so lange zugegen bleiben.“
Ihr werdet hier bleiben ?“ fuhr der
sunge Mann gereizt auf. „Weßhalb ?“
Weßhalb? Weil ich mich übverzeugen
will, ob Alles mit vechten Dingen zugeht.
Mir ist es schon oft begegnet, daß Arrestan⸗
den in ihren Kleidern Feilen und andere
Werkzeuge mitgebracht und weil sie in dem
Befangniß⸗ Anzuge keine Taschen fanden, hier
irgendwo versteckt haben, deßhalb ziehe ich
vor, beim Umtausch stets zugegen zu bleiben.“
Ohne ein Wort zu erwiedern, kam
Gottfried dem Verlangen des Bürgermeisters nach.
Unverwandt beobachtete Wetterau den
jungen Mann, kaum hatte dieser seinen Rock
ausgezogen, als der Bürgermeister denselben
sofort an sich riß. Seine Augen leuchteten,
er fühlte in der Brusttasche das Dokument
er hörte es unter dem Druck seiner Hand zittern.
Goitfried dachte nicht an den Alt, erst—
als der Bürgermeister sich entfernt hatte, ent⸗
sann er sich desselben. Gleich einem Verzwei⸗
felten eilte er zir Thür, sie war verschlossen,
er rüttelte an den Fensterstäben, sie gaben
seinem Druck nicht nach. Er mußle um jeden
Preis das Dotument wieder haben, aber wie,
wie sollte er e8 den Händen Wetterau's
entreißen?
Der Bürgermeister hatte inzwischen den
Akt aus der Tasche des Rockes genommen
und die Kleider des Gefangenen dem Amts⸗
hzoten mit dem Bekehle eingehändigt, dieselben
instweilen aufzubewahren. Er ging nach die—
er Anordnung in sein Bureau, verriegelts
'orgfältig die Thür, um nicht überrascht zu
verden, und löste mit vielem Geschick das
Siegel des Kouverts, in welches der Akt ge⸗
chlossen war. Nachdem er diesen gelesen hatte
chrieb er ihn sauber auf einen Stempelbogen
ib, faltete die Kopie und steckte sie in das
ouvert, welches er sorgfältig wieder schloß.
Zelbst der schärfste Blikk würde den Betrug
unicht entdeckt haben, denn das Siegtl zeigte
eine Verletzung. Wetterau betrachtete eine
geraume Zeit prüfend das Couvert und steckte
es dann mit feiner Geschicklichkeit zufrieden,
in die Tasche. Eine halbe Stunde später
befand er sich bereits auf dem Wege zur Stadt.
Gportsetzung folgt..
Der Münzsammter.
EStaatsbztg.)
Eine Novelle.
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(Fortsetzung.)
Die Karte fiel zu Boden. — Der Baron
war aufgestanden und ging im Zimmer auf
und nieder. — „Nein, Felix, diese Gelegen⸗
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