Full text: St. Ingberter Anzeiger

Der Münzsammler. 
Staatsbztg.) 
Eine Novelle. 
— — 
(GFortsetzung.) 
„Glauben Sie?“ rief der Baron, „so 
spcicht nur ein Mädchen, das die Liebe kennt — 
Weichen Sie mir nicht aus — Sie hieben 
einen Andern ?“ — 
Sie zitterte und konnte nicht anfworten. 
Er fuhr fort: 
„Sie schweige? — Ich nehme dieses 
Schweigen für ein Zugeständniß. Ich weiß 
auch, wer der Glückliche ist.· — 
Noch mehr erschrocken, sah, Maud sich 
ängstlich im Zimmer um; denn ihr war es, 
als hätte sie bei den Worten des Barong ir— 
gendwo in der Nähe Geräusch gehört. 
⸗Herr Barou, aus Schonung für mich, 
reden Sie nicht weiter!“ bat sie. —— 
„Nein, Maud, ich muß reden, Sie müssen 
wissen, daß mir nicht unbekannk ist, daß Sie 
Felix liebene!“ 
Sie erröthete bis hoch an die Schläfe. 
„O,“ fuhr der Baron fort, ihrer Verle⸗ 
genheit zu Hilfe kommend, „ich weiß auch, 
daß Felix Sie innig liebt.“ 
Da sah sie ihn mit sonnigem Lächeln 
an, mit Blicken, worin sich die ganze Selig- 
keit eines liebenden Weibes offenbaxt, so daß 
der Baron davon betroffen und erstaunt sie 
zum ersten Male mit Bewunderung betrach— 
tete. Das war nicht mehr das Mädchen, das 
mit ihm einst verlobt gewesen; diese glän—⸗ 
jenden Augen hatte er nie an ihr gekannt. — 
Maoud schien seine Gegenwart vergessen 
zu haben. 
„Er liebt mich!“ flüsterte sie. „O mein 
Gott! womit verdiene ich nur dieses Glück!“ 
Ihre Worte brachten den Baron wieder 
auf seine Rolle zurück. 
„Ja, Felix liebt Sie; doch, Maud, zür 
nen Sie mir nicht, wenn ich Ihnen gleich⸗ 
zeitig alles mittheile, was mir der' Freund 
vertraute. Sie werden geliebt, heiß und innig: 
aber er kann Sie nie die Seine nennen.“ — 
Maud war todtenbleich. 
„Dann ist er bereits mit einer. Andern 
gebuuden,“ hauchte sie und sah sich. mit den 
Aungen nach einem Gegenstande um. an den 
sie sich lehnen könne; so hatte diese Mitthei— 
lung sie erschüttert. 
„Ja —er ist gebunden, Maud--aber an die 
bleiche Pflicht, an die Arbeit; denn er ist arm.“ — 
„Nichts anderes als dies steht zwischen 
uns ?“ rief sie mit leuchtenden Augen. Ach, 
dann ist ja alles guf!“ 
„Wie, ist das nicht genug, um zu ent⸗ 
sagen ?“ rief der Baron. „Köunten Sie das 
ungewisse, herbe Loos eines Mannes theilen 
wollen, der Ihnen nichts bieten dann als 
seine Liebe und den Erwerb des dürftigen 
täglichen Brods?“ 
„Ja, mein Freund, das kann ich, das 
will ich! Wenn — wenn Felix mich liebt, 
wenn mein Befitz sein herbes Loos erleichtert, 
wenn meine Nähe ihn glücklich macht: dann 
theile ich Alles mit ihm, auch die Arbeit. 
Sie sehen mich zweifelnd an. Ihr Auge 
fragt: Kann das Maud, die Modedame, die 
nichts kennt, als den Luxus? Sie kaun es 
und Sie werden Zeuge dessen werden! Baron 
Alexander, als sie sich“ mit mir verlobten, 
brachten auch Sie mir nicht das volle Herz 
einer wahren Liebe entgegen. Sie ladellen 
mich, fanden Fehler an mir, aber gaben sich 
nicht die Mühe, mich zu bessern; und so 
blieb mein Herz von jener wahren Liebe frei, 
die mich jetzt erst beseelen sollte. — Hätte ich 
dieses Gefühl, daß mich jetzt in. Felixens 
Besitz zum glücklichsten. Wesen von der Weli 
machen kann, für meinen Cousin empfunden, 
nicht unsre Armuth hätte uns getrennt; 
aber auch er liebte mich nicht, wie ich geliebt 
sein mußte, — um alles mit dem Mann⸗ 
theilen zu können.“ 
„Maud, Sie haben Recht; ich war nicht 
der Pygmalion, der sich die Mühe gegeben, 
seine Galathee zu wecken. — Sie sind ein 
liebes Wesen, Sie söhnen mich für immer 
mit ihrem Geschlecht aus. Felix hat tiefer ge⸗ 
schaut. — Ja, Sie können einen Mann 
wahrhaft glücklich machen!“ rief der, Baron 
gerührt, dem Mädchen heide Hünde reichend. 
„Das wird sie auch in. des Wortes gan⸗ 
zer Bedeutung!“ ließ sich hinter, Beiden die 
Stimme des Assessors vernehmen.. 
Er hatte, nach Verabredung, im, Neben⸗ 
zimmer der Unterredung gelauscht, und war 
jetzt unbemerkt hexausgetreten