rose, und ein ganzes Bouquet solcher Resen
hielt sie auch in ihren Händen.
Leicht wie eine Gazelle eilte sie dem Sopha
zu, drängte die junge Frau sauft wieder in
die Kissen zurück und legte die Blumen in
deren Schooß.
„Hier, liebe Leonie, eine Sonntags⸗
freude, wie es bei uns Sitte ist, und dann
die bescheidene Frage, ob Sie mit mir einen
Spaziergang machen wollen?“
Leonie lächelte matt, als sie entgegnete:
„Mit mir wollen Sie einen Spaziergang
X
Kranke bin?“
„Im Gegentheil; ich denke, daß die be—
ständige Zimmerluft ihr Leiden nicht heben
wird — Sie sagen, Sie haben keine Schmer⸗
zen, Sie fühlen nur ein Abnehmen Ihrer
Kräfte. — Sehen Sie, aus dem müssen Sie
herausgerissen werden. Ein Gang in's Freie
fann Ihnen nur wohl thun, und die Luft ist
balsamisch schön. Ich führe Sie, oder fühlen
Sie sich zu entkräftet, so nehmen wir einen
Wagen.“ —
Mit herzlichem Blick reichte Leonie der
Engländerin die Hand, die sich dicht neben
sie gesetzt hatte.
„Maud, Sie sind so gut und lieb. Ich
wünschte, ich könnte Ihnen Ihre Güte lohnen.
Wie sind Sie mir in den wenigen Tagen
schon so werth geworden; mir ist, als habe
ich Sie schn lange — lange gekannt. O,
dank dem Briefe meiner theuren Jugendfreun⸗
din, der mich Sie finden ließ. — Ihre
Theilnahme thut mir so wohl — Dank
sei Ihnen, hebe Maud, für alles; denn ich
bin gewiß, Sie sind glücklich und reißen sich
aus heiterem Kreise los, um zu mir, der
einsamen Kranken, zu kommen.“
„Rechnen Sie das nur nicht zu hoch an.
Der Weg zu Ihnen ist mir so lieb geworden;
denn mein Herz hat nur den sehnlichen Wunsch,
Sie gesund zu wissen.“
„Diesen Wunsch, meine liebe Mand, habe
ich nicht. — Für mich ist der Tod das ein⸗
zige Ziel. In ihm allein liegt für mich
Ruhe, liegt Frieden für ein ödes, verfehltes
Leben.“
Maud traten Thränen in die Augen.
„Ach, Leonie, so dürfen Sie nicht spre⸗
chen; ich kann Sie nicht verlieren. Verzeihen
Sie meinem Egoismus; aber auch mir droht
ein Unglück. Und wenn dieses über mich her⸗
einstürzt, dann muß ich wenigstens Ihr
theilnehmendes Herz haben, das meine Kla⸗
gen hört.“
„Ihnen, dem Sonnenkinde, droht ein
Unglück?“ rief Leonie theilnehmend. „Sprechen
Sie, ich bitte darum, verhehlen Sie mir
nichts! Vielleicht ist dem noch vorzubeugen. O,
ein Unglück ist schwer zu tragen. Ich kenne
eine solche Last.“
„Wie!“ rief Maud, „so hat sich meine
Furcht doch bewahrheitet, Sie leiden, Sie
wollen sterben, weil Sie unglücklich sind ?“
1Leonie wandie ihr Gesicht ein wenig
nach der Seittee.
„Sprechen wir jetzt nicht von mir. Bin
ich unglücklich, so ist daran nichts mehr zu
ändern. — gewiß Maud, es ist nichts mehr
zu helfen. Doch ehe ich sterbe, werden Sie
das einzige Wesen sein, das alles erfahren
soll. Jetzt sprechen wir von dem, was Sie
bedroht, und wo vielleicht noch Hilfe mög-
lich ist.?
Bei diesen Worten sah Leonie das Mäd⸗
chen erwartungsvoll an, aber Maud zögerte;
denn nun sollte erst ihre Aufgabe kommen,
die Felix ihr aufgegeben. Der Assessor hatte
sie in Alles eingeweiht, ihr dabei gesagt, es
handle sich um das Lebensglück seines Freun⸗
des. Leonie müsse frei werden und sich mit
dem Geliebten vereinen. Das begriff freilich
Maud nicht ganz; aber sie glaubte alles,
was Felix ihr sagte, und so begann sie endlich
mit unsicherer Stimm
„Vor allem müssen Sie dabei erfahren,
daß ich liebe. —“
Unbewußt entstahl sich Leoniens Brust
ein Seufzer. Maud fuhr fort:
„Und daß ich auch geliebt werde⸗“
„Und Sie können sich mit dem Manne
ihrer Liebe verbinden ?“ — J
„Ich könnte es, wenn sich nichts Zweites
dazwischen stellte —“
„Um des Himmels willen!“ rief Leonie
und richtete sich halb aus ihrer Stellung auf.
„Ist der Mann, der Sie liebt, schon mit
einer Andern verbunden ?“
„O nein, nein, er ist frei wie ich; aber —“