Full text: St. Ingberter Anzeiger

bleich, aber sie kam ihm dabei überirdisch 
schön vor. Nun begriff er, daß der Freund 
eines solches Wesen nicht vergessen könne. — 
Damals, als Alexander ihr Lebensretter wurde, 
hatte er nur flüchtig die Umrifse ihrer Ge— 
stalt gesehen, aber jetzt — Und diese schöne 
Hülle sollte keine Seele bergen ? — Es sprach 
ihn dabei aus Leoniens Augen eine so tiefe 
Trauer an, daß es ihm fast wie Frevel 
schien, daß er mit dieser Frau ein so ge— 
fährliches Experiment wagen wolle. — Aber 
hatte er sich nicht vorgenommen, zu erfahren, 
ob Alexander geliebt wende? Er wollte ja 
wie ein Freund zu ihr reden, er und 
Maud — — 
Um sich jetzt in die Rolle des vermeint— 
lichen Doctors zu finden, mußte er sehr ernsi 
bleiben. 
.Gnädige Frau, Sie haben nach mir 
berlangt ?“ fagte er mit einer tiefen Ver⸗ 
beuqung. 
Leonie entgegnete leise: 
„Ich ließ Sie zu mir bitten. Nehmen 
Sie Platz, Herr Doctor !“ 
Als der Assessor ihrem Wunsche Folge 
leistete, und ihre weitere Rede zu erwarten 
schien, fuhr sie nach einigen Secunden 
fort: 
„Ich habe Sie zu mir bitten lassen. Ich 
bin krank, — aber habe nicht das Verlangen, 
mich einer Cur zu unterwerfen, sondern ehe 
etwas der Art geschieht, an Sie, als Mensch 
und Arzt, eine Frage zu richten, eine Frage, 
an deren Beantwortung vieler Menschen Frie⸗ 
den hängt. — Sagen Sie offen und ohnet 
Rückhalt: was habe ich von meiner Krankheil 
zu erwarten, werde ich genesen oder daran 
sterben ?? 
Wehe, das fing für Felix an, eine sehr 
peinliche Situation zu werden. Auf solche 
Cap talfrage war er nicht vorbereitet; er 
mar gekommen, um die kranle Seele zu 
luriren. — 
Was wollte sie nur mit dieser eigenthüm⸗ 
lichen Frage, die kalte Tropfen der Angst aus 
seine Stirn perlen ließen ? Was sollte er nur 
antworten; von Heilkunde verstand er so we⸗ 
nig, wie seine Maud von der Jurisprudenz. 
Und hier kam gleich eine Frage, die über Le⸗ 
ben und Tod entscheiden sollte. Doch um 
nicht ganz die angenommene Würde zu ver⸗ 
lieren, nahm er die Miene eines Denkers an 
und griff nach Leoniens Hand, um ihren 
Puls zu fühlen. 
Eben, als er über eine ausweichende Ant⸗ 
wort nachsann, kam, zu seinem Glücke, Leonie 
seiner Verlegenheit zu Hilfe, indem sie sein 
Zögern als Zurückhaltung deutete, ihr die 
Wahrheit zu sagen. 
„Fürchten Sie nicht, mich mit der Wahr⸗ 
heit zu beunruhigen. Ich sehe Ihrem Aus⸗ 
jpruch nicht bangend entgegen. — — Nur 
dann, wenn Sie mir fagen, die Kraft meiner 
Jugend wird mein körperliches Leiden über⸗ 
winden und ich werde leben — dann haben 
Sie mir ein furchtbares Urtheil gesprochen. 
JIqh will und kann mich nicht deutlicher er⸗ 
klären. — Aber denken Sie in diesem Augen⸗ 
blick, Sie hätten eine Schwester, die krank an 
Körper und Seele wäre, weil sie eine Liebe 
in ihrem Herzen ersticken müsse — weil die 
Pflicht es so gebieterisch fordere. — Der 
Mann aber, den sie liebe, wisse von dem 
Zustand ihrer Seele nichts. Er nehme ihre 
Entsagung anders auf, halte sie für kalt und 
lieblos und suchte sich in seinem Schmerze 
elend zu machen.“ 
Leonie hielt erschöpft inne. Felix saß mit 
unbeschreiblicher Empfindung vor ihr. Ach, 
daß sein Al-xander doch dieses Bekenntniß 
hören könnte! — 
Fortsetzung folgt.) 
Mannigfaltiges. 
Aus den Schreckenstagen der Belagerung 
pon Paris erzählt der „Figaro“ folgende 
kleine Episode: „Eine Dame tritt in den 
Laden eines Epicier und fragt: „Was 
kostet dieser holländische Käse?“ „100 Fres., 
Madame.“ 100 Fres.? ein Käse, worin 
eine Ratte ist ?“ „Wie, es ist eine Ratte 
darin? Dann kostet er 120 Fres.“ 
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Druck und Verlag von F. X. Denaetz in St. Inobert.