halte, und wunderte mich auch, warum mein
Freund mir das nicht selbst gesagt. Aber
da fie mich an der Wahrheit nicht' zweifeln
ließ, dachte ich darüber doch nach. Ich
hatte zwar so lange allein gelebt, hatte meine
Gewobnheiten, mit den Frauen hatte ich mich
nie beschäftigt. Aber ich kannte Leonie als
eine gute Tochter, sie war freundlich und doch
auch hübsch, und zu diesem allem bot mir
meine Cousine meines Freundes Münzen⸗
sammlung als Heirathszut an. Sehen Sie,
Herr Baron, dem wiederstand ich nicht, und
so bin ich der Mann meiner Frau ge—
worden.“
„Und Sie sind doch nicht glücklich, ob⸗
gleich Ihre Frau Gemahlin jung und
schön ist.“
„Der Begriff von Glück, Herr Baron,
ist sehr relativ. Wie kann mich eine Frau
glücklich machen? Wir gehen Beide unsere
Wege. Ich beschränke die Freiheit meiner Frau
nicht. Bisweilen geniren mich wohl ihre ro—
mantischen Einfälle und ihr lauaiges Betragen,
wie heute Ihnen wieder gegenüber, dann
wünschte ich wohl, ich hätte sie nicht; nun
habe ich sie aber einmal, und so muß man
das Uebel zu tragen suchen.“
Der Baron trat ans Fenster und trom⸗
melte an die Scheiben. Er hatte genug von
den Eröffnungen eines Egoisten gehört und
jetzt galt es, seine arme Leonie mit List oder
Gewolt von diesem--herzlosen Manne zu
befreien.
„Ich danke Ihnen, Herr Willrich, für
Ihre vertrauliche Mittheilung, ich werde es
zu schätzen wissen. Wissen Sie aber, warum ich
heut zu Ihnen gekommen bin?“
„Nein, Herr Baron, ich weiß nur, daß
Ihren werthen Besuch lange vermißte.“
Der Baron achtete nicht auf diese Rede
und fuhr fort:
„Haben Sie meinen Wunsch vergessen,
sich noch nicht entschieden, ob Sie mich nach
meinem Gute begleiten werden. Ich reiße
übersnorgen ab? Bedenken Sie, daß meine
Münzen der .ordenden Hand bedürfen, daß
Ihr Schüler noch viel von Ihnen lernen
nuß. Sie sollen mir ein lieber Gast sein,
ich werde nichts versäumen, um Ihnen den
Aufenthalt in meinem Hause angenehm zu
machen.“
„Bin fest davon überzeugt, Herr Baron,
entgegnete Willrich, mit tiefem Bückling. „Be⸗
fehlen Sie über mich, ich stelle mich Ihnen
ganz zur Verfügung.“
„Das freut mich, und wenn Sie Ihre
Frau Gemahlin mitnehmen wollen, die Luft
ist dort schön; wir können Partien nach der
Umgegend machen.“
Bewahre, Herr Baron, meine Frau
nehme ich nicht. Soll sie uns auch dort noch
Aergerniß bereiten ?“
„Aber sie wird sich doch hier langweilen,
sich einsam fühlen ?“ *
„Daran ist sie gewöhnt, sie ist auch wenn
ich hier bin, allein.““
„Ja Egoist, das ist sie, aber lange soll
sie es nicht mehr sein!“ dachte der Baron,
laut sagte er: „Wie Sie darüber denken.
Unsere Reise ist also fest? Der Zug geht
morgens um zehn Uhr.“
„Herr Baron, Sie werden mich über—
morgen früh pünktlich auf dem Bahnhof fin—
dea,“ entgegnete Willrich und geleitete den
Baron, der seinen Hut nahm und sich verab—
schiedete, zur Thür.
Leonie nahm die Nachricht, daß Willrich
oerreise, freudig auf, sie wußte, es war das
Werk des geliebten Freundes, der ihr den
Benuß der ungestörten Einsamkeit verschaffte.
Sie empfing vor seiner Abreise noch einige
Zeilen von ihm durch Maud, worin er sie
nochmals bat, standhaft der Zukunft entgegen⸗
zusehen und ihres Glückes zur richtigen
Stunde zu gedenken.
Sie verstand auch seine Briefe wieder
nicht ganz, aber sie versprach sich selbst
alles zu thun, was er fordern würde.
Fortsetzung folgt.)
—M —
Druck und Verlag von F. X. Demez in St. Ingbert.