Full text: St. Ingberter Anzeiger

auf. „Ihr glaubt am Ende, ich habe das 
Haus angezündet?“ 
„Ist schon oft dagewesen,“ erlaubte Schmel⸗ 
zer sich einzuschalten. 
„Und ich sage Euch, Ihr seid ein Schuft, 
wenn Ihr glaubt, ich sei eines solchen Ver— 
brechens fähig, das zudem eine Thorheit 
wäre!“ rief der Rentner, dem viel daran zu 
liegen schien, dem Vagabunden eine bessere 
Meinung von sich beizubringen. „Untersteht 
Euch nicht, einen derartigen Verdacht laut 
werden zu lassen, Ihr wißt — 
„Was weiß ich?“ fuhr Schmelzer, ihm 
ins Wort fallend, zornig auf. „Ich weiß, 
daß wenn Ihr mich an den Galgen bringen 
wollt, das Holz für den Euren ebenfalls 
reif ist, deßhalb haltet die Pfeifen im Sact 
und vergreift Euch nicht an einem freien 
Amerikuner!“ 
Krämer warf einen Blick ängstlicher Be⸗ 
sorgniß auf die Thür, welche zum Schlaf⸗ 
zimprer seiner Tochter führte, er bemerkte 
nicht, daß die Augen Schmelzer's diesem 
Blicke folgten und ein Lächeln des Triumphes 
über die häßlichen Züge dieses Mannes glitt. 
„Laßt uns gute Freunde bleiben,“ fuhr 
der Letztere nach einer Pause fort, „denn so 
wahr ich Jakob Schmelzer heiße und ein 
Sohn des freien Amerika's bin, so wahr 
stürze ich Euch in die Grube, wenn es Euch 
einfallen sollte, mir eine solche zu graben. 
Zahlt die Summe, die Ihr mir bis heute 
vorenthalten habt, so gehe ich in meine Hei— 
math zurück, das Klima hier behagt, mir 
nicht.“ 
„Glanb's gerne,“ versetzte Krämer sarka— 
stisch, „der Raum, wo in jedem Winkel eine 
Kahze lauert, gefällt den Mäusen nicht. Bevor ich 
Eurer Forderung nachkomme, verschafft mir 
das Dokument.“ 
„Es ist hier in meiner Tasche,“ ent— 
gegnete Schmelzer gelassen, „was gebt Ihr 
dafür ?“ 
Die Augen Krämers funkelten. „Ihr 
habt meinen Auftrag schon vollzogen ?“ fragte 
er hastig. 
„Alles in bester Ordnung. S'ist mir 
freilich ewas schwer geworden, der Kerl war 
stärker, als ich vermushete, und um ein Haart 
breit hätte er mich überwältigt, aber ich hielt 
seine Gurgel fest in meinen Händen.“ — 
„Ihr habt ihn ermordet 7“ fiel der Rent⸗ 
ner entfetzt ihm in's Wort. 
„Ich habe mich nicht weiter um ihn ge— 
kümmert; als er sich in sein Schicksal ergab 
und ich auf keinen Widerstand mehr sueß, 
ließ ich ihn liegen. Hat ihm der Druck den 
Athem benommen, so ist's seine eigene Schuld, 
ich habe ihn deutlich genug befragt, ob 
er das Dokument freiwillige herausrücken 
wolle.“ 
„Gebt her, gebt her!“ rief Krämer un— 
geduldig. „Die Nebenumftände macht mit 
Eurem eigenen Gewissen ab, ich habe keinen 
Theil daran.“ 
„Oho!“ versetzte Schmelzer, indem er 
einen Schritt zurücktrat und den Rentner mit 
einem Blick maß, in welchem Haß und Rach⸗ 
sucht sich spiegelten. „Pfeift Ihr aus dem 
Loche? Ihr gabt mir den Auftrag, mich des 
Papiers zu bemächtigen, einerlei auf welchem 
Wege, ich war nichts weiter als ein Werkzeug 
in Euren Händen und Ihr seid für Alies 
verantwortlich, was Ihr durch Euer Werk⸗ 
zeug augerichtet habt. Das ist meine Miei— 
nung und dabei bleibe ich!“ 
Der Vagabund schlug bei den letzten 
Worten mit der Faust heftig auf den Tisch 
und knöpfte dann den Rock bis unter's 
Kinn zu. 
„Ihr müßt fort so bald wie nur möglich 
nahm Krämer das Wort. „Gebt mir das 
Dokument, ich will Euch die hundert Louisd'or 
zahlen, dann reist heute noch ab.“ 
„Das heißt, nachdem wir zuvor mit 
einander abgerechnet haben,“ unterbrach Schmel⸗ 
zer ihr gelassen, „Ihr schuldet mir hundert 
Louisd'or dafür, daß ich —¶“ 
„Ich weiß, ich weiß,“ rief Krämer unge- 
duldig, „hier habt Ihr das Geld, und nun 
das Papier!“ 
Der Vagabund öffnete die beiden Rollen, 
welche der Rentner ihm überreichte, zählte 
mit unerschütterlicher Ruhe die Goldstücke und 
ließ sie in die Taschen seiner Sammthosen 
gleiten. — „Bon, die Schuld wäre ab—⸗ 
gemacht.“ 
„Seid Ihr toll?“ rief der Rentner 
entrüstet.