Ja, aber er ist deiselbe
„So ?“ er sah sie lange an. „Gut, Du
sollst frei sen. Morgen werde ich die Schei—⸗
dung einleiten; Du kannst zu jeder Stunde
mich verlassen.“ *
Nach diesen langsam gesprochenen Worten
verließ Willrich, wie gewöhnlich zu dieser
Stunde, sein Haus, um nach einer Stamm⸗
kneipe zu gehen, wo alle seine Collegen zu⸗
sammenkamen.
Wortkarg, wie man ihn nicht anderz
kannte, setzte er sich auf seinen alten Platz;
der Kellner brachte ihm sein Glas leichtes
Bier; er war niemals ein Freund von star ;
den Getränken gewesen. In dem Augenblick,
als er das Glas aufhob, um zu trinken, ent⸗
sank es seiner Hand, und er fiel mit einem
lauten Schrei besinnungslos zu Boden. Man
hob ihn auf, ein Arzt war zur Stelle; doch
dieser konnte ihn für den Augenblick nicht
erwecken; der Schlag hatte ihn getroffen;
aber er lebte ncch.
Er wurde nach Hause gebracht. Leonie
sandte nach zwei der derühmtesten Aerzte der
Residenz, und nach zwei Tagen fand er die
Sprache wieder.
Sie wich weder Tag noch Nacht von seinem
Laget. Ihr Herz zerquälte sich, ob sie nicht
durch die letzten Vorfälle schuld an feinem
Leiden fei; doch Willrichs alter. Hausarzt,
dem sie theilweise das Vorgefallene anvertraui
hatte, theilte ihr mit, daß Willrich diesen
Anfall vor fünf Jahren schon einmal hatte,
und ein zweiler immer: zu befürchten war.
Wochen vergingen; schon konnte Willrich die
linke Hand bewegen und sanft die, Leoniens
drücken, während seine Augen jeder äihrer
Bewegungen folgten; schon versprachen die
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ein neuer Schlagfall eintrat, der auch gleich
den Tod zur Folge hatte.
Ein Jahr war vergangen, und Leonie
zog als Herrin von Roda an der Seite
ihres Gatten in die neue Heimath ein. Wohl
war die alte Baronin bei der Nachricht, eine
bürgerliche Schwiegertochter zu bekommen, em⸗
poört, hatte sich mit allen Verwandten Derer
von Roda zu einem Sturm gegen den Sohn
odereint, aber von dessen eisernem Willen
sprangen alle Pfeile ab. Er war mündig und
Majoratsherr. Und selbst die Diohung, daß
sie ihn auf immer verlassen würde, wenn er
hr die bürgerliche Schwiegertochter zuführe,
erschütterie ihn nicht. Das brachte die alte
Dame zum Nachgeben- Sie hatte ihren trotzigen
Sohn und die Heimath doch zu lieb und
vollte von Beiden in ihren alten Tagen
nicht scheiden. So resignirte sie sich und em⸗
ofing die unwilikommene Schwiegertochter. Leo⸗
niens Schönheit und Kindlichkeit besieglen dann
edoch sehr schnell der alten Dame Vorurtheil;
je gewann das Kind aus dem Volke bald so
ieb, “ daß Lebnie eine wahre: Mutter in ihr
fand. Und der Leser wird nicht fragen/ ob
der Baron glücklich war; denn er wird es
wissen wo sich beim Manne die Liebe auf
Herz und Seele ihren Altar baut, da wird
auch das Glück blühen: Ob aber dieses Glück
der Gatten fürs Lebem sohne“Stürme bleibt,
das steht hinter der verschleierten Zukunft
Jeschrieben.
Einige Monaten früher hatte der Assessor
seine Maud h imgeführt, den Assessor quittirt
und sein Naturforscherstudium— wieder aufge⸗
nommen. Meist befindet er sich mit seiner kleinen
Frau auf Reisen, und kommen beide nach
Deutschland, so ist ihr liebster Aufenthalt das
Schloß zu Rosenthal, wo die schöne Leonie
als Herrin waltet.
Auch der alte Engländer, dem es, nach⸗
dem sich Maud von ihm getrennt hatte, zu
einsam in der Heimath wurde, ist ins Schloß
übergesiedelt, und wenn er mit der alten. Ba⸗
ronin an den langer Winterabenden nicht am
Schachbrett fitzt, so schaukelt er eine goldblonde
leine Leonie auf seinen Knien, die der großen
deonie sehr ähnlich zu werden verspricht und
die des alten Herrn, Lirbling immer mehr
wird, so daß sie ihn selbst in seiner Münzen⸗
kam mer stören darf, über welche der Baron,
so große Lust ihm diese Liebhaberei auch ge⸗
währt, doch nie die Pflichten eines Gatten vergißt.
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