Full text: St. Ingberter Anzeiger

jeder genaueren Nachforschung vorzubeugen, 
werde ich Jedem, der sich nach Ihrem Ver— 
brechen erkundigt, Jedem. den Sie anzuspre⸗ 
chen wagen, Jedem, dem wir begegaen, mit⸗ 
theilen, daß Sie wahnsinnig seien. So mache 
ich alle Ihre Versuche, die Hülfe Anderer 
gegen mich anzurufen, zu Schanden, man wird 
mich bemitleiden, Ihnen fluchen.“ 
„Schändlich! murmelte das Mädchen 
entsetzt. 
„Wie finden Sie den Plan? Ist er nicht 
fein und schlau angelegt 7 
Mathilde wandte dem Schurken schweigend 
den Rücken und trat in ein Zimmer, dessen 
Thüre sie hinter sich in's Schloß warf. Sie 
jah wohl ein, daß sie ganz in der Gewalt 
dieses Menschen war, und zweifelte nicht, daß 
dieser sein Vorhaben ausführen werde. Sie 
mußte Zeit zu gewinnen suchen, um über die 
Mittel zu ihrer Rettung nachdenken zu können. 
IIch hoffe, Sie fügen sich geduldig in 
das Unvermeidliche,“ fuhr Schmelzer fort, der 
dem Mädchen in das Zimmer gefolgt war, 
„thun Sie dies, so werde ich Ihnen die Be⸗— 
schwerden der weiten Reise zu erleichtern su⸗ 
chen, im entgegengesetzten Falle aber kenne 
ich Mittel genug, Sie für Ihre Widerspen⸗ 
stigkeit zu bestrafen. Die Hütte steht heui⸗ zu 
Ihrer Verfügung, oben unter dem Dach finden 
Sie Ihr Lager, in diesem Korbe hier Lebenz- 
mittel und in jenem Kruge Wasser.“ 
Nach diesen Worten verließ der Vagabund 
das Zimmer und gleich darauf auch das 
Haus, dessen Thür er mit vielem Geräusch 
abschloß. 
In Fieberhast durcheille Mathilde das 
alte Haus, jedes Fenster, deren nur drei fich 
vorfanden, war vergitiert. Vergebens rüttelte 
sie an den Eißenstäben, sie waren fest in den 
Stein eingelöthet, was konnte das Mädchen 
mit den schwachen zarten Händen ausrichten! 
Da fiel der Blick Mathildens auf die 
Wand, an der an einzelnen Stellen der Lehm 
abgekrümmelt war. Neuer Muth beseelte fie, 
gelang es ihr, durch die Wand, welche so sehr 
dick nicht sein konate, ein Loch zu brecheo, 
devor der Vagabund zurückkehrte, so war sie 
gerettet. Aber womit? Sie entdeckte den Was⸗ 
serkrug, schlug ihn entzwei und begannn mit 
den Scherben ihre mühsame Arbelt 
7. Kapitel. 
Nachdem Ernst in seiner Wohnung von 
den Strapazen ausgeruht und gefrühstückt 
alte, ging er zu seinem Freunde, dem Voklor 
Schacht, um in dessen Begleitung Schulz einen 
Besuch abzustatten. 
In der Zelle des Gefangenen angekommen, 
setzte der Advokat sich auf die Bank und bai 
den Acdeerer, ihn ruhig anzuhören und seinem 
Rath zu folgen. Er theilte ihm jetzt den In⸗ 
halt des Anklageaktes mit, verhehlte ihm nicht, 
daß bei dem jetzigen Stand der Dinge Zehn 
zegen Eins zu wetten sei, daß Schulz auf 
Brund der vorliegenden Beweise verurtheilt 
würde, und knüpfte zum Schluß an seine 
Mittheilungen den Bericht über die Unterre⸗ 
dung, welche am verwichenen Abend zwi⸗ 
schen dem Rentner und Wetterau stattgefun⸗ 
den hatte. 
Der Ackerer ging mit großen Schritten 
in seiner Zelle auf und ab. Die eindringlichen 
Worte des Juristen, die Klarheit, mit der 
zener die Sachlage aufdeckte und den voraus⸗ 
aichtlichen Gang derselben entwickelte, noch wehr 
aber die offenen ehrlichen Züge des Advrokaten 
zlieben nicht ohne Eindrudk auf ihn. Er sah 
ꝛin. daß er vor einem Abgrunde stand, an 
dessen Dasein er bisher, auf seine Unschuld 
—R 
„Nur eins kann Sie retten,“ schloß der 
Advotat, „vollgültige Beweise für Ihre 
Unschuld!“ 
„Die nicht anders beizubringen sein wer⸗ 
den, als durch die Entdeckung des Mörders.“ 
etzte Ernst hinzu. 
„Allerdings,“ fuhr Schacht fort; „es ist 
leicht, sehr leicht, gegen den unbescholtensten 
Menschen Beweise beizubringen, welche ihn 
irgend einer verbrecherischen That verdächtigen, 
ja nach dem Buchstaben des Gesetzes vollstän⸗ 
dig überführen, sehr schwer dagegen, solche 
Beweise zu widerlegen.“ 
„Mag sein,“ warf der Ackerer ein, „aber 
müssen die Geschworenen nicht einsehen, daß 
der Tod meines Herrn mir nicht den ge⸗ 
ringsten Vortheil einbrachte ? 
„Nein, das Gegentheil liegt näher,“ ver⸗ 
etzte der Advokat. , Der Top Ihres Herrn 
überhob Sie der Verpflichtung, über die er⸗ 
haltenen Gelder Rechenschaft abzulegen, die