Full text: St. Ingberter Anzeiger

Namen des Notars wissen, welcher jenenz Akt 
ausgefertigt hat ? Wir lassen eine Kopie an⸗ 
fertigen und die erste Abschrift für ungültig 
erklaͤren.“ q 
Die Wittwe gab hierzu ihre Zustimmung, 
und eine Viertelstunde später ging Helldau in 
den Gasthof, in welchem der Rentner einstweilen 
seine Woh ung aufgeschlagen hatte. * 
In dem Augenblicke als er die Thür 
zffneie, trat Krämer ihm schon mit der Frage 
entgegen, ob er Mathilde micht gesehen 
habe, das Mädchen sei während seiner 
Abwesenheit ausgegangen und noch nicht zu⸗ 
rückgekehrt. — 
Der Buchhalter suchte seinen Herrn zu 
beruhigen. Sie werde vielleicht Einkäufe besor⸗ 
gen, meinte er, der Brand habe wahrschein⸗ 
lich die nöthigsten Toilette Bedürfnisse ver— 
schlungen, man möge nur ruhig abwarten. 
Der Rentner schüttelte ungeduldig das 
Haupt. Eine Ahnung drücke ihn schwer, ver⸗ 
setzte er, er selbst koͤnne sich den Grund der⸗ 
seiben nicht erllären, aber es sei ihm, als 
müsse dem Mädchen ein Unglüdbegegnet sein. 
Noch nie sei sie ausgegangen, ohne dem 
Vater Lebewohl gesagt zu haben, daß sie dies 
gerade heute, am Tage nach dem Brande, 
bergessen haben solle, scheine ihm unwahr⸗ 
scheinlich. 
Helldau fand die Angst seines Herrn über⸗ 
trieben und grundlos; um den Gedanken des⸗ 
jelben eine andere Richtung zu geben, fragte 
er ihn, ob er für die AssekuranzeGesellschaft 
das Iventar der verbrannten Gegenständen 
anfertigen solle, aber Krämer bezeigte keine 
Lust dazu. Trotzzdem begab der Buchhalter 
sich unverzüglich an's Werk, aber da er auf 
jeine Fragen entweder keine oder unzusammen⸗ 
hängende Antworten erhielt, so legte er end⸗ 
lich die Feder hin. 
Die Angst und Unruhe Krämers wuchs 
mit jeder Minute: endlich schellte er, um sich 
bei bem Kellner zu erkundigen, wann seine 
Tochter ausgegangen sei. Der Kellner zuckte 
die Achseln und erwiderte, das Fräulein sei 
in Begleitung eines verdächtig aussehenden 
Menschen gleich nach dem Frühstück davon 
gefahren, wohin, wisse er nicht, wenn er nicht 
irre, habe er gehört, jener Mensch wolle sie 
in die neue Wohnung ihres Vaters bringen. 
Krämer erkundigte sich nach dem Aeußern 
dieses Menschen und sank, als der Kellner 
ihm den Anzug desselben beschrieben haite, 
stöhnend in seinen Sessel. Er wußte jetzt, 
daß Mathilde sich in dir Gewalt des Ame⸗ 
rifaners befand und dieser sich des Mädchens 
»cmächtigt hatte, um den reichen Vater zur 
Zahlung einer weiteren Summe zu zwingen. 
Er eilte hinaus, um die Spur, auf welche 
der Bericht des Kellners ihn führte, zu ver— 
folgen. Er schlug dieselbe Richtung ein, welche 
der Wagen genommen hatte, und unterließ 
nicht. hier und da in einem Hause nachzu— 
fragen, ob jener Wagen gesehen worden sei. 
So gelangte er an's Thor und als auch 
der Thorwächter sich jenes Wagens erinnerte, 
wanderte er auf der Landstraße weiter. Hier 
aher war seinen Rachforschungen ein Ziel ge⸗ 
jetzt, kein Haus stand an der Landftraße, in 
welchem er sich erkundigen konnte, und die 
Spuren der Räder hatte der Staub ver— 
wischt. Nichtsdestoweniger schritt er rüstig 
weiter, ohne zu ahnen, daß er mit jedem 
Schritt sich weiter von seinem Ziele ent⸗ 
fernte. 
Inzwischen war der Buchhalter nicht müßig. 
In der Eile hatte Krämer vergessen, den Schlüssel 
einer Schatulle abzuziehen. Helldau konnte um 
'o leichter seine Nachforschungen nach dem Do—⸗ 
ument anstellen. Er fand den Att zwischen 
den Werthpapieren. Helldau hielt nunschlüssig 
das Papier lange in der Hand. Sollte er es 
vieder in die Schatulle legen, oder dem 
rechtmäßigen Eigenthümer übergeben ? Auf 
der einen Seite machte er sich eines Dieb⸗ 
stahls schuldig, auf der andern verhinderte er 
einen Betrug. 
Krämer hatte sich ebenfalls auf ungesctz- 
lichem Wege dieses Alktes bemächtigt, mußte 
er es nicht als eine Vergeltung des Schicksals 
bdetrachten, wenn ihm das Papier wieder ge⸗ 
zaubt wurde ? Abgesehen hiervon, ließ er das 
Dokument in der Schatulle, welche Folgen 
könnten daraus entstehen? Ernst ward viel⸗ 
leicht seines rechtmäßigen Eigenthums beraubt, 
selbst das Gesetz konute ihn gegen den Schur⸗ 
ken nicht schützen; — nein, nein, er hat ge— 
wiß nicht unrecht, wenn er den Alt behielt 
und dadurch dem jungen Manne zu seinem