Full text: St. Ingberter Anzeiger

aber, demselben offen Recht zu geben, um 
nicht die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich 
zu lenken. 
Die Stunden verannen, Gäste kamen und 
gingen, nur Schmelzer und einige wenige 
Stammgäste blieben hinter ihrem Glase sitzen. 
Da traten vier Herren ein, bei deren Erschei⸗ 
nen den Amerikaner eine ihm selbst uner⸗ 
ärliche Unruhe befiel. Er kannte keinen von 
ihnen, und doch schien es ihm, als müßten 
sie ihn kennen, denn ab und zu streiften ihre 
Blicke ihn und dann glaubte er in diesen 
Blicken stets eine gewisse Genugthuung zu le⸗ 
sen, die Genugthuung eines Mannes, der das 
gefunden hat, was er sucht. Die fremden 
Herren, wel he durch ihre feine Kleidung, die 
Aufmerksamkeit der übrigen Gäste erregten, 
forderten Brunntwein, und setzten sich an einen 
Tisch, der von dem des Amerikaners ziemlich 
entfernt siand. 
Sie unterhielten sich lebhaft mit einander, 
dies hinderte sie aber nicht, von Zeit zu Zeit 
Schmelzer zu beobachten, der, um die wach⸗ 
sende Unruhe zu bemeistern, dem Glase fleißig 
zusprach. Endlich, es hatte bereits zehn ge— 
schlagen, erhob der Amerikaner sich; er hatte 
gehofft, die Herren würden sich früher ent⸗ 
fernen. Die Furcht vor jenen war ihm selbst 
unerklärlich und dazu grundlos, denn versuch⸗ 
ten sie, ihn anzugreifen, so durfte er des Bei⸗ 
standes der übrigen Gäste gewiß sein. Sie 
alle waren ja richt besser, als er, sie alle 
mußten, wenn er in der Schenle angegriffen 
wurde, darin eine Gefährdung ihrer eigenen 
Sicherheit erbliken. 
Dasselbe dachte der Kommissar, aber selbst, 
wenn er auch einen solchen Beistand nicht be⸗ 
fjürchtet hätte, würde er den Verbrecher doch 
nicht zurückgehalten haben, ex mußte ja wis⸗ 
sen, wo diefer wohnte, um im der Wohnnug 
desselben Haussuchung halten zu können. Er 
war cin Mann von Praxis; von einem Ver⸗ 
brechen anf das andere schließend, traf' er 
seine Maßregeln bei Verfolgung eines Ver⸗ 
brechens stehts so, daß er bei Verhaftung des⸗ 
selben auch sofort einen Blick in das ganze 
Verhältuiß seines Gefangenen werfen konnte 
und da entdeckte er oft Manches, woran er 
vor wenigen Augenbliden noch nicht dachte. 
Nachdem Gottfried ihm die Versicherung ge⸗ 
zeben hatte, daß jener Mensch derselbe Vaga⸗ 
hund sei, den sie suchten, entwarf er rasch 
einen Plan. Einer seiner Unterbeamten ftand 
draußen vor der Thür in einer versteckten 
Ecke und beobachtete jeden, der die Schenken 
perließ. Schmelzer verließ ungehindert das 
daus und eilte sofort zum Thore hinaus. 
Draußen auf der Landstraße sah er sich noch 
»inmal um, aber Alles blieb still, und hier⸗ 
durch sicher gemacht, lachte der Vagabund 
etzt über seine Angst, die jq jedes Grundes 
entbehree. 
Wenige Minuten nach dem Fortgange 
des Vagabunden erhoben die Lwier sich 
ind verließen ebenfalls die Schenke. Detr 
ommissar redete mit seinem Untergebenen, 
velcher, von einem gebeimen Instinkt geleitet. 
den Amerikaner schärfer als jeden anderen 
beobachtet hatte, einige Worte und rieb sich 
dann vergnügt die Hände. 
„Es kommt besser, als ich vermuthete,“ 
sagte er, „jetzt kenne ich den Schlupfwinkel 
des Burschen, er wird uns nicht entgehen. — 
Sie schlagen vor dem Thore einen Seitenweg 
ein und eilen so rasch als möglich mit der 
aöthigen Vorsicht zu der Hütte, welche seit⸗ 
värts der Lardstraße einsam in der Haide 
teht,“ wandte er sich zu dem Unterbeamten 
und Gottfried, „dort halten Sie sich ver⸗ 
zorgen und betrachten genau, ob unser Maun 
nn die Falle geht; wir werden auf der Land⸗ 
traße dem Burschen folgen.“ 
Die beiden befolgten ohne Zögern den 
erhaltenen Befehl. während der Kommissar in 
Begleitung des Advokaten und dessen Freun— 
des die Landstraße verfolgte. 
„Sie glauben, daß es uus gelingen wird, 
den Menschen zu ergreifen ?“ fragte der Ad— 
odkat, nachdem die Drei eine ziemliche Strecke 
zurückgelegt haten. 
„Banz gewiß,“ erwiderte der Kommissar, 
„aber reden wir leise, diese Schurken sind 
nit allen Hunden gehetzt, hat der Amerikaner 
dunte gerochen, so dürsen Sie sich darauf ver⸗ 
assen, daß er hier in einem Chausseegraben 
Stnuden lang liegen bleibt, um zu jpioniren 
ob wir ihm folgen. Ich kenne seinen Schlupf— 
windel,“ fuhr er nach einer Pause fort. 
-Ungefähr eine halbe Stunde von hier entfernt 
steht einsam in der Haide ein kleines Haus,