Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungsblatt 
St. Ingberter Anzeiger. 
NXr. IIS. Donnerstag. den 5. Oetobe 1871. 
Ein böses Gewissen.“* 
Novelle 
von Ewald August König. 
(Fortsetzung.) 
„Weßhalb verlangen Sie ein offenes Ge⸗ 
siändniß ?“ hobd Schmelzer nach einer Pause 
an. „Sie behaupten ja, alle meine Verbrechen 
genau zu kennen.“ — 
„Allerdings!“ fiel Schacht ihm ins Wort, 
nur weiß ich nicht, „wie weit Krämer in die⸗ 
selben verwickelt ist.“ 
„Er war der Ansiifter, ich sein Wertzeug, 
das habe ich bereits gesagt. und Sie dürfen 
Lieser Behauptung Glauben schenken. Hören 
Sie zu. Vor unhgefähr drei Jahren erhielt 
ich von einem gewissen Herrn Curtis in 
New⸗York den Auftrag, einen Herrn Karl 
Krämer, welcher in New-York ein Geschäft 
in Häuten betrieb, zu beobachten und auszu⸗ 
kundschaften, ob und wann derselbe nach 
Europa zurückkehren wolle.“ 
„Wer war dieser Herr Curtis?“ fragte 
der Advokat. 
„Ein Winkelkonsulent, der nebenbei Wu⸗ 
cher trieb, und überhaupt sich mit allem be— 
faßte, was einen Gewinn für ihn abwerfen 
konnte. Ich folgte der erhalt nen Weisung und 
unterließ nicht, nebenbei zu erforschen, wen 
dies in Europa interessiren könne. Ein leeres 
Couvert, welches ich eines Tages im Bureau 
jenes Curtis fand, brachte mich auf die Spur. 
Das Stempel zeigte die Buchstaben J. K., 
der Poststempel den Namen dieser Stadt. Ich 
forschte nach und erfuhr, daß ein Bruder 
strämers hier wohnte; ohne mich lange zu 
besinnen, schrieb ich an J. Krämer, theilte 
ihm den Auftrag des Winkelkonsulenten mit 
und ersuchte ihn, mir sein Vertrauen zu 
chenken und sich direct mit mir in Verbindung 
zu setzen. 
„Die Antwort ließ nicht lange auf sich 
warten. Jakob Krämer schrieb mir, es liege 
ihm sehr viel daran, daß sein Bruder nicht 
zurückkehre. Auch wünsche er zu wissen, ob 
derselbe eiin Dskument des Inhaltes besitze, 
daß er von seinen. Bruder eine Summe von 
zwanzigtausend Thaler zu fordern habe, und 
wenn dem so sei, solle ich mich dieses Aktes 
zu bemächtigen suchen. Zum Dritten möchte 
ich erforschen, wo der Sohn Karl Krämers 
sich befinde. Ich errieth aus dicsem Briefe 
deutlich den Wunsch des Rentners und fragte 
an, ob es nicht am besten sei, wenn ich den 
Bruder aus der Welt schaffe. Die Antwort 
lautete, ich könne thun und lassen was ich 
wolle, er befehle mir nichts, wenn ich den ge⸗ 
wünschten Zweck erreiche, so sei es ihm gleich, 
welcher Mittel ich mich dazu bediene.“ 
„Besitzt Ihr diesen Brief noch ?“ fragte 
der Advokat. 
Ein Lächeln des Hohns glitt flüchtig über 
die Züge des Verbrechers. „Glauben Sie, ich 
würde mich von diesen Beweisen treunen ? 
erwiderte er. „Sie sind ja die einzigen Waf⸗ 
fen gegen meinen Genossen, seien Sie über⸗ 
zeugt, daß ich mich ihrer bedience werbe, 
sobald der Augenblick dazu gelommen ist. 
sonnte ich den Mord ungehen, so wollte ich 
es thun, deßhalb versuchte ich'ss vorerst mit